Ein Mann wie ein Erdbeben
versteinerter Miene entgegen. Die Frauen weinten leise. Ettore blieb draußen am Wagen; er wollte mit der Blutrache der Frolinis und Duccis nichts zu tun haben.
»In den nächsten Tagen wird man Ihnen einen Frolini liefern«, sagte der alte Ducci unbewegt. »Aus Amerika und Kanada, Deutschland und der Schweiz kommen alle Auswärtigen zurück. – Sie nehmen alle Toten ab?«
Bob Barreis starrte auf den langausgestreckten Körper des Jungen.
»Alle!« sagte er, bevor Tschocky etwas sagen konnte.
»Das ist gut.« Mario Ducci hielt die Hand auf. »Es geht niemand etwas an, was hier passiert. Wenn Sie die Toten mitnehmen, ist das die unauffälligste Art, sie verschwinden zu lassen.«
»Und wie lange soll das weitergehen?« fragte Tschocky.
»Bis den Frolinis der Atem ausgeht. Sie haben noch vier Männer, und keine Frau ist schwanger. Wir haben noch sechs Männer, und vier Frauen bekommen ein Kind. Die Duccis werden siegen!«
Tschocky bezahlte für den Toten fünfzigtausend Lire, dann trugen vier der Duccis die Kiste ins Haus. Was dann begann, nahm Bob Barreis in sich auf wie einen Horrorfilm.
Der Erschossene wurde ausgezogen und gewaschen. Die Frauen übernahmen das, und sie verrichteten ihre Arbeit wie ein Ritual. Bob sah, daß die Brust des Jungen von der Schrotladung zerfetzt war … einer der Frolinis mußte das Gewehr kaum zwei Meter entfernt abgedrückt haben. Fast ohne Streuung, mit voller Wucht waren Hunderte von Kugeln in den Körper gedrungen.
Nackt legte man den toten Ducci in die Kiste, packte die Kühlbeutel rund um ihn herum, so, wie man einen Riesenfisch für den Versand herrichtet, hob dann den Deckel drauf und verschloß ihn. Das alles geschah schweigend, wortlos, nur umflossen von dem hörbaren Weinen zweier Frauen, der Mutter und der Schwester des Toten. Dann trugen die vier Männer die Kiste zurück in den Kombiwagen, schoben sie hinein und gingen ohne einen Blick auf Bob und Tschocky ins Haus. Nur der alte Mario Ducci stand noch in der Tür und blickte mit verschleierten Augen seinem jüngsten Sohn nach. In den Händen hielt er die Geldscheine, zwischen den zusammengepreßten Fingern quollen sie hervor.
»Gott segne dich, figlioletto«, sagte er rauh, als Bob sich wieder ans Steuer setzte und den Motor anließ. »Von dem Geld werden wir Waffen und Munition kaufen und die Frolinis ausrotten! Ich verspreche es dir bei den Tränen der Muttergottes …«
Er blieb in der Tür stehen, bis der Wagen hinter einer Biegung des Weges in den Bergen verschwunden war. Erst als er ins Haus zurückkam, begannen die Frauen laut zu weinen und zu schreien, und die Männer brüllten, der Himmel solle die Frolinis verfluchen.
Der Transport aufs Festland war kein Problem. Niemand sah der Kiste an, welchen Inhalt sie verbarg. Bob hatte in großen Buchstaben auf die Seiten mit weißer Farbe gemalt: ›Camping International‹. Das verstand jeder und glaubte, in der Kiste liege ein Zelt oder andere Ausrüstungen für einen fröhlichen Urlaub.
Die Vorarbeiten Tschockys erwiesen sich als präzise.
Nach zwei Tagen Fahrt erreichten sie die Universitätsstadt und riefen von einem Telefonhäuschen den Anatomiediener an. Das war so verabredet. Der Mann, der im Anatomiekeller Leichenteile herumtrug wie ein Metzger Würste, verständigte den wissenschaftlichen Assistenten des Professors. »Heute um 22 Uhr«, sagte der Anatomiediener. »Ich hole Sie vor dem Institut ab. Wir müssen hinten in den Hof fahren, aber das zeige ich Ihnen dann …«
Bis jetzt war das Unternehmen ohne Schwierigkeiten gelaufen. Die einzigen Unannehmlichkeiten bereiteten die Gefrierbeutel, die trotz der Innenverkleidung aus Schaumstoff schneller schmolzen als Bob und Tschocky annahmen. Sie mußten deshalb bei der Übernachtung in Salerno die Kiste wieder aufschrauben, die Beutel herausnehmen und im Tiefkühlraum des Hotels einfrieren.
Diese Aufgabe übernahm Bob Barreis … Tschocky hielt Wache in der Hotelgarage, während Bob sich mit dem Toten beschäftigte. Die sportliche Note, die Tschocky in dem ganzen Unternehmen sah, diese Lust, etwas Ungewöhnliches zu hin – er hatte sogar den Transport des toten Ducci in allen Einzelheiten fotografiert, selbst in Primolano, unter den wachsamen Augen der Duccis mit einer Minikamera, die er im Gürtel der Hose versteckt hatte –, diese makabre Flucht aus dem Einerlei reicher Spielereien, empfand Bob seit dem Anblick des Toten nicht mehr. Für ihn war dieser ›Sport‹ mehr geworden. Die Gegenwart des
Weitere Kostenlose Bücher