Ein Mann wie ein Erdbeben
Polizei an«, flüsterte Papenholt. »Irma, nimm dich zusammen! Die kommen nicht rein. Ich bin bewaffnet.«
»Die auch, Reinhold, die auch …«
»Ich war der beste Schütze des Bataillons …«
»Vor dreißig Jahren … Männe, bleib hier. Ich habe Angst …«
Während Irma Papenholt die Polizei anrief, schlich Reinhold zur Tür zurück. Es schellte wieder, fordernder, länger. Dann pochten Fäuste gegen das Eichenholz. Papenholt stellte sich seitlich auf, mit dem Daumen drückte er den Sicherungsflügel weg.
»Haut ab!« schrie er durch die Tür. »Mit mir nicht! Ich knalle euch einen vor den Latz!«
»Machen Sie auf! Polizei!«
»Das ist 'n uralter Trick! Haut ab, sag ich!« Er hielt den Atem an. Von weitem hörte er das schnell näherkommende Sirenengeheul eines Streifenwagens. Reinhold Papenholt hatte Angst gehabt, trotz der Pistole in seiner Hand, trotz der Erinnerung, der beste Schütze im Bataillon gewesen zu sein. Man sieht ja immer, wie so etwas geht und wie es endet … im Fernsehen, in ›XY – Aktenzeichen ungelöst‹, jede Woche mehrmals bringen sie solche Filme, Anschauungsunterricht, Killerschulen … Da kann man ruhig eine Pistole in der Hand halten, die haben immer neue Tricks.
»Die Polizei!« brüllte Papenholt nach hinten ins Schlafzimmer. »Jetzt wetzen sie ab! Irma, stell 'n paar Pullen Bier für die Polizei kalt …«
Er blinzelte wieder durch den runden Türspion … die beiden Kerle waren noch immer da. Sie rannten nicht weg in die Dunkelheit, wie es das Fernsehen zeigt, sondern drehten sich gemütlich um, als die Polizisten auf das Haus losstürmten.
Papenholt verstand die Welt und das Fernsehen nicht mehr und öffnete, noch immer die Pistole umklammernd, die Haustür, als es wieder klingelte.
Die Streifenpolizisten grüßten, die beiden zivilen Männer hoben die berühmten blanken Plaketten.
»Kriminalpolizei.«
»Bitte –«, sagte Papenholt bedrückt. »Kommen Sie rein. Verzeihen Sie … aber nachts um ein Uhr … und Unbekannte … Man weiß ja nie …«
Er steckte die Pistole in die Hosentasche. Aus der Küche blickte mit verwuschelten Haaren Irma Papenholt. Sie begriff gar nichts mehr.
»Sie haben einen Kombiwagen?« fragte einer der Kriminalbeamten.
»Zwei. Und einen Zweieinhalbtonner.«
»Einer ist grün?«
»Nein. Einer grau, der andere blau. Warum?«
»Kennen Sie Ihre Autonummern?«
»Natürlich.« Papenholt rasselte sie herunter wie früher in der Schule ein Gedicht. »Was ist denn? Ist einer geklaut?«
»Die Nummer stimmt. Aber der Wagen ist grün.«
»Unmöglich. So schnell kann keiner den Karren umspritzen. Meine Wagen stehen alle im Stall. Um vier Uhr kommen die Fahrer und holen das Frischgemüse vom Güterbahnhof … Was ist denn eigentlich los?«
»Wir haben einen grünen Kombiwagen mit Ihrer Nummer entdeckt. Am Tegernsee …«
»Wo?« Papenholt hielt das für einen schlechten Witz. Er versuchte zu grinsen, aber dann merkte er, daß es bitterernst war. Irma kam aus der Küche mit einem Tablett voller Bierflaschen. Sie hatte Tegernsee verstanden und sagte freundlich:
»Ja, da wollten wir immer hin. Aber mein Mann kennt ja keine Ferien. Immer nur wulacken. Er denkt nur noch in Kohlköpfen und Salat …«
»Das ist 'n Ding.« Papenholt schloß die Haustür. »Meine Autonummer an 'nem Wagen am Tegernsee. Das gibt's doch gar nicht.«
»Und im Wagen lag in einer Kiste ein Toter.«
»Meine Fresse!« Papenholt griff sich eine Flasche Bier, ließ den Klemmkorken springen und setzte sie an den Mund. Nach drei tiefen Schlucken – es sah aus, als blase er auf einem Signalhorn ›Alles sammeln‹ – unterdrückte er einen Schluckauf (das Bier kam aus dem Kühlschrank, verflucht, und Irma weiß doch, daß ich beim kalten Bier immer rülpse und den Schlucken kriege) und atmete ein paarmal tief durch. Die Polizeibeamten gönnten ihm seine Erschütterung. »Ein Toter …?«
»Eisgekühlt mit einer Batterie.«
»In meinem Wagen?«
»In einem grünen Kombi mit Ihrer Nummer.«
»Ich habe keinen grünen.«
»Modell 1967.«
»Ich habe nur Modelle 68 und 69.« Papenholt umklammerte die eiskalte Flasche. Dann stellte er sie schnell weg, denn es durchfuhr ihn, daß auch die Leiche eisgekühlt gewesen war. »Ermordet?«
»Die Obduktion liegt noch nicht vor. Aber es scheint ein Italiener zu sein.«
»Wollen … wollen Sie auch ein Bier trinken?«
»Wer ist tot? Welcher Italiener?« fragte Irma Papenholt. Das Tablett zitterte in ihren Händen. Die Bierflaschen
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