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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Barreis zündete sich eine Zigarette an. Seine Hand war ruhig – Dr. Zuchowski beobachtete es genau. »Und wieso Täter? Ich denke, Renatchen ist hinabgehüpft?«
    »Von Pietät hält mein Neffe gar nichts«, warf Onkel Theodor ein. Es war das erste Wort, das Haferkamp seit dem Eintritt Bobs sagte. »Außerdem hat jeder Mensch seine eigene Ausdrucksweise.«
    »Der Toten ist auf die Finger getreten worden, als sie sich verzweifelt am Gitter der Brücke anklammerte. Noch wissen wir nicht, was sich dort abgespielt hat – aber freiwillig ist sie nicht auf die Autobahn gestürzt. Der Täter hat nachgeholfen.«
    »Also ein Mord!« sagte Barreis mit gespielter Dumpfheit.
    »Totschlag«, korrigierte Dr. Dorlach. Es war ein Strohhalm – Bob begriff es sofort. »Oder Körperverletzung mit Todesfolge. Es kann da sehr diffizile Auslegungen geben.«
    »Auf jeden Fall ist Fräulein Peters tot!« sagte Staatsanwalt Zuchowski etwas härter als bisher. »Tot durch Fremdeinwirkung.«
    »Dieses herrliche Juristendeutsch.« Bob rauchte genußvoll. »Eine Wonne, es zu hören. Eine Frage, meine Herren: Ist das hier jetzt ein Verhör? Wenn ja, muß ich meinen Anwalt bitten, gegen diese Art meiner Behandlung Protest einzulegen.«
    »Es ist eine Befragung, Bob.« Dr. Dorlach winkte ab, als Bob etwas erwidern wollte. »Es soll Licht in das Dunkel kommen.«
    »Wie kann ich Lampen anzünden, wenn ich in Essen im Bett lag?«
    »Dr. Dorlach unterrichtete uns bereits.« Staatsanwalt Zuchowski begann eine Wanderung vor dem großen Renaissancekamin. Hin und her, her und hin … sechs Schritte vorwärts, kurze Wendung, sechs Schritte zurück, kurze Kehrtwendung. Wie ein Raubtier in einem engen Käfig. »Natürlich kann die junge Dame das beeiden.«
    »Natürlich.«
    »Sie waren schon um 20 Uhr in Essen, wie Ihr Anwalt mitteilt?«
    »Ja.«
    »Die Dame erwartete Sie?«
    »Nein.« Bob schoß einen bösen Blick auf Dr. Dorlach ab. »Fräulein Cimbal ist in einer Bar beschäftigt. Sie kam gegen 1 Uhr nach Hause.«
    »Ach! Und von 20 Uhr bis 1 Uhr waren Sie allein in der Wohnung?«
    »Ja. Ich habe einen Schlüssel.« Bob holte ihn aus der Rocktasche und ließ ihn an einem goldenen Kettchen um den Zeigefinger kreisen.
    »Warum sind Sie zu Fräulein Cimbal gefahren?«
    »Warum wohl?« Bob grinste mit einer so lässigen Unverschämtheit, daß Theo Haferkamp rote Ohren vor Ärger bekam. »Marion las mir immer Märchen vor. Gestern war ›Der Froschkönig‹ an der Reihe. Sie las gerade ›welch ein Pech, der goldene Ball rollte wieder in den Brunnen …‹ – da klingelte das Telefon, und Dr. Dorlach rief an.«
    »Haben nicht Sie angerufen, Herr Barreis?«
    »Wirklich? Ach ja … Sehen Sie, Herr Staatsanwalt, so gründlich nehmen mich Märchen gefangen, daß ich Zeit und Raum vergesse.«
    »Diese Feststellung mache ich auch.« Zuchowski blieb abrupt vor Bob stehen. Ihre Blicke trafen sich wie blitzende Klingen. »Sie haben von 20 Uhr bis 1 Uhr kein Alibi. Ob sie im Bett lagen, ist eine reine Glaubenssache. Es widerspricht jedenfalls allen Erfahrungen, daß ein Mann seine Freundin, von der er weiß, daß sie nachts in einer Bar arbeitet, diese nicht in der Bar aufsucht, sondern sich allein in deren Bett legt und dort auf Dienstschluß wartet –«
    »Hier muß ich widersprechen, Herr Staatsanwalt.« Dr. Dorlach hob elegant und abwehrend die rechte Hand. Sie umklammerte einen großen Kognakschwenker mit einem eingravierten großen N – Napoleon. Und wie Napoleon wirkte jetzt auch Dr. Dorlach. »Man kann nicht von Allgemeinerfahrungen ausgehen. Mein Mandant Robert Barreis hat nie ein normales Leben geführt. Er ist in seinen Kreisen geradezu bekannt für sein exzentrisches Verhalten. Erfahrungswerte versagen hier. Es ist bei seinem ausgefallenen Lebensstil und seinen Ideen, dieses Leben auf seine Weise mit Kapriolen zu bereichern, ohne weiteres glaubhaft, daß er um 20 Uhr sich in das Bett seiner Bekannten legte, dort in aller Ruhe las, später einschlief und dann um 1 Uhr von der heimkehrenden Marion Cimbal geweckt wurde …«
    »Zärtlich geweckt wurde«, sagte Bob genußvoll. »Sehr zärtlich, Herr Staatsanwalt. Über die Art der Zärtlichkeit verweigere ich die Aussage.«
    Nun läuft er an, der Dr. Dorlach, dachte Bob zufrieden. Jetzt schießt er mich frei. Endlich. Dieser Zuchowski ist eine gefährliche Type. Humorlos, trocken wie ein Strohdach im Sommer. Blutleerer Beamter, im Kreislauf nur Paragraphen. Man muß auf ihn aufpassen … humorlose Leute

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