Ein Mann wie Mr Darcy
das Brennen in meinen Oberschenkeln so heftig, dass ich absteige und mein Fahrrad an ein altes, in eine Steinmauer eingelassenes Tor lehne. Weiter oben befindet sich ein Wäldchen, und durch eine Lücke in den Baumwipfeln kann ich ein Schloss erkennen.Wow, das muss das Schloss sein, zu dem ich letzte Nacht mit Mr. Darcy geritten bin.Wie hieß es noch? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Sham Castle, das Schein-Schloss – weil es in Wahrheit kein richtiges Schloss ist.
Ich mache mich auf den Weg. Der Hügel ist ziemlich steil, und als ich in den Wald komme, bin ich schon außer Atem. Ich gehe langsamer. Man kommt nur schwer voran. Der Pfad ist kaum zu sehen, und überall lauern Felsbrocken und Baumwurzeln – Gott allein weiß, wie ich es letzte Nacht hier auf dem Pferderücken hindurch geschafft habe, doch nach fünf Minuten gelange ich auf die andere Seite. Das Schloss liegt rechts von mir, allerdings sieht es bei Tageslicht vollkommen anders aus. Überhaupt nicht so, wie ich es in Erinnerung habe. Was letzte Nacht noch beeindruckend echt gewirkt hat, lässt jetzt auf den ersten Blick erkennen, dass es nichts als eine Kulisse ist.
Im Sommer wimmelt es hier wahrscheinlich vor Touristen, doch jetzt ist alles wie ausgestorben. Ich setze mich ins Gras, lehne den Kopf gegen das Gemäuer und genieße die
Aussicht. Umgeben von sieben Hügeln, liegt Bath unter mir. Seine georgianische Architektur, die von unten so groß und beeindruckend wirkt, sieht von hier aus wie ein Miniaturmodell aus dem Büro eines Stadtplaners aus.
Ich reibe meine verquollenen Augen und lege den Kopf in den Nacken, um den grauen Himmel zu betrachten. Es sieht nach Regen aus. Ein typischer Neujahrstag. Nur, dass er das nicht ist, oder? Heute ist überhaupt nichts typisch. Dieses schwermütige Gefühl kehrt wieder zurück, und ich seufze schwer. Ich kann nicht mehr darüber nachdenken. Ich bin so müde. Die Nachwirkungen der Party, die Gehirnerschütterung, all diese Neuigkeiten lösen das dringende Bedürfnis in mir aus, einfach für einen Moment die Augen zu schließen und alles andere hinter mir zu lassen.
Wenige Momente später spüre ich etwas Warmes auf meinem Gesicht und öffne die Augen, um festzustellen, dass die Sonne hinter einer Wolke hervortritt. Sonnenstrahlen brechen durch die blauen Lücken hindurch, und ich muss meine Augen mit der Hand abschirmen, um etwas erkennen zu können. Aus der Ferne sehe ich jemanden näher kommen. Ich blinzele, versuche ihn auszumachen. Es ist ein Mann, das erkenne ich, während er schnell näher kommt. Und er ist zu Pferd.
Mr. Darcy.
Überglücklich sehe ich zu, wie er heraufgaloppiert kommt. Seine Wangen sind vom Januarwind gerötet, seine Augen von den dichten, dunklen Augenbrauen fast vollständig verdeckt.
»Ich hoffte, Sie hier zu finden«, sagt er, als er absteigt und auf mich zukommt.
Lächelnd springe ich auf, um ihn zu begrüßen. Nach allem, was passiert ist, sehne ich mich mit einem Mal nach einer herzlichen Umarmung, danach, dass mich jemand an sich drückt und mir sagt, dass alles gut werden wird.
Impulsiv werfe ich meine Arme um ihn und berge mein Gesicht an seiner breiten Schulter. »Ich bin ja so froh, Sie zu sehen«, stoße ich hervor, schließe die Augen und atme seinen vertrauten Duft ein.
Seligkeit, gemischt mit Erleichterung, durchströmt mich. Wow, seine Schultern eignen sich tatsächlich perfekt, um sich daran auszuweinen, denke ich und spüre, wie sich die ganze Anspannung in meinem Körper in seiner Umarmung löst.
Obwohl er – Moment mal – mich eigentlich gar nicht umarmt. In dieser Sekunde registriere ich, wie steif er ist. In Wirklichkeit bin ich diejenige, die ihn umarmt. Er steht einfach nur kerzengerade da, als hätte er einen Besenstiel verschluckt, seine Hände fest an der Hosennaht.
Verlegen löse ich mich von ihm.
»Äh … frohes neues Jahr …«, sage ich lahm.
»Ja. In der Tat.« Mr. Darcy hüstelt peinlich berührt und starrt zu Boden. Zum ersten Mal beginne ich zu ahnen, wie es wäre, mit jemandem zusammen zu sein, der ständig vor sich hinbrütet und all diese unterdrückten Leidenschaften in sich trägt. Ich meine, im Buch hört sich das ja alles sehr attraktiv und sexy an, aber im wahren Leben will ich doch jemanden haben, der mich fest in seine Arme schließen kann.
»Ich habe nach Ihnen gesucht«, erklärt er und verschränkt die Hände hinter seinem Rücken – eine Geste, bei der man kein Experte in Körpersprache sein muss, um zu
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