Ein Mann will nach oben
Ihretwegen!« rief sie. »Weil Sie kein Lügner sein dürfen! Verstehen Sie denn nicht, daß Ihre Worte auf meiner Karte ganz wertlos sind, wenn Sie nicht sauber dastehen? Gehen Sie hin, tun Sie es mir zuliebe!«
»Gut«, sagte er. »Ich werde hingehen.«
»Det wirste nich tun!« rief Rieke und stand plötzlich amTisch bei den beiden. »Jib mir det Jeld!« Überrascht tat er es. »Wir haben nämlich keen Jeld zu vaschenken, Frollein! Er kann nich die janze Zeit Damen aus Nuttenlokalen und Vabrecha spazierenfahren for nischt und wieda nischt! Det is unsa Jeld! Wenn Sie so jenau sind, Frollein, warum jeben Sie ihm denn nich sein Fahrjeld? Det lieb ick, mit andrer Leute Jeld sich jroßtun! Weil Se schutzbedürftig sind, wat? Weil Se ihm leid tun, wie? Aber ick bin nich schutzbedürftig, ick habe ihm noch nich eenmal leid jetan, wenn’t mir elend jing! Mir steckt er nischt in die Tasche! Nee, mein Jeld nimmt er und jibt et andere Mächen –«
»Höre, Rieke«, sagte Karl Siebrecht jetzt in kaltem Zorn. »Wenn du nicht auf der Stelle still bist, gehe ich aus dieser Wohnung. Dann aber komme ich nicht wieder zurück. Du hast kein Wort von alledem verstanden …«
»Det jloob ick, det de jetzt jehen möchtest! Nimm ihr doch jleich mit. Erst tut se dir leid, und denn tust du ihr leid – ihr paßt zusammen, ihr beede! Ick habe nischt vastanden? Ick habe jenug vastanden, vill zuville ha ick vastanden! Det du nich an mir denkst, und det ick dir nich leid tue, det weeß ick lange, aba det du an andre denkst, det hat mir jrade noch jefehlt zu meinem Jlück. Und nu is zappenduster!«
Das junge Mädchen hatte erschreckt und fassungslos von einem zum anderen gesehen, nun rief sie: »Aber ich habe doch nichts mit Ihrem Mann! Er hätte mich nie wiedergesehen! Nur, weil er wirklich gut zu mir war, habe ich nach seiner Adresse gefragt …«
Aber das war es ja gerade, was Rieke so erbitterte, was all ihre Geduld ans Ende gebracht hatte: daß er zu einer anderen gut gewesen war. »Na, und –?« schrie sie höhnisch. »Wat lofen Se ihm da nach, wenn Sie nischt mit ihm haben? Er soll wohl noch een bißcken besser zu Sie sind, wat? Jut war woll noch nich jut genug –?!«
Karl Siebrecht aber schämte sich, er schämte sich seiner Frau. Plötzlich hörte sein Ohr wieder diese gemeine Sprache, und wer so gemein redete, der dachte auch gemein.
»Es ist Schluß, Rieke«, sagte er. »Kommen Sie, Fräulein Eich, ich bringe Sie noch heraus.« Auf dem Flur griff er sich Mantel und Mütze, dann trat er mit dem fremden Mädchen auf die winterliche Eichendorffstraße hinaus.
76. Hertha Eich heharrt
»Es tut mir sehr leid …« sagte das junge Mädchen.
»Ihnen muß nichts leid tun, Sie haben es gut gemeint«, antwortete er. »Es war schon vorher alles kaputt, dies gab nur den letzten Anstoß.«
»Trotzdem!« beharrte Hertha sich. Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Es ist schade«, meinte sie dann. »Ihre Frau liebt Sie.«
»Was hilft mir das? Ich liebe sie nicht, und wir passen auch nicht zueinander. Ich habe es nie so gefühlt wie eben, als ich Sie beide nebeneinander sah.«
»Sehen Sie«, sagte sie traurig, »ich bin also doch schuld. Ich hätte nicht zu Ihnen gehen sollen.«
»Einmal mußte es kommen. Ich bin froh, daß es endlich gekommen ist.«
Sie sah nach der Halle des Stettiner Bahnhofs hinüber, auf der Schnee lag. Es war kalt und trist auf der Straße. »Wohin werden Sie nun gehen?« fragte sie.
»Ach, für mich findet sich schon immer etwas«, antwortete er mit mehr Sicherheit, als er fühlte.
»Sie sollten zu Ihrer Frau zurückgehen«, sagte sie bittend. »Gehen Sie jetzt gleich zurück und erklären ihr alles. Sie sind doch wirklich ohne Schuld. Eigentlich hat sie recht: ich bin Ihnen nachgelaufen. Ich wollte Ihnen nicht nur danken, ich war auch neugierig, wie ein so ritterlicher Chauffeur aussah.« Ihr blasses Gesicht rötete sich bei diesem Geständnis.
»Nein«, sagte er und hatte kaum auf ihre Worte geachtet. »Ich bin nicht ohne Schuld. Nein, nicht Ihretwegen. Aber ich habe ständig an eine andere gedacht, die ich seit Jahren nichtgesehen habe. Ich glaube gar nicht, daß ich sie liebe, aber ich war all dieser Dinge so überdrüssig. Ich wollte etwas anderes zu denken haben als all dies Zeugs.« Er hatte sehr böse und bitter gesprochen, fast mit Haß hatte er dabei nach den Fenstern der Wohnung in der Eichendorffstraße gesehen. Jetzt sagte er: »Aber ich glaube, ich muß nun gehen, Fräulein Eich.« Er reichte
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