Ein Mann will nach oben
ihr seine Hand, sie nahm sie nur zögernd, als wollte sie den Abschied noch nicht.«
»Sehe ich Sie einmal wieder?« fragte sie. »Höre ich einmal, was aus alldem geworden ist?«
»Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich habe ja Ihre Adresse.«
Sie hielt seine Hand noch immer. »Ich möchte Ihnen so gern helfen«, sagte sie. »Sie sehen so unglücklich aus. Nicht wahr, Sie waren nicht immer Droschkenchauffeur? Vor dem Kriege waren Sie etwas anderes?«
»Ja, das war ich. Aber macht das etwas in diesen Dingen aus?«
»Nein, natürlich nicht. Aber vielleicht kann Ihnen mein Vater helfen. Wollen Sie nicht einmal mit meinem Vater sprechen? Mein Vater hat ziemlich viel Einfluß.«
Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, Fräulein Eich. Ich will mir nicht helfen lassen, ich helfe mir allein am besten.«
»Nicht die Art Hilfe! Aber Vater weiß vielleicht Rat. Er kennt so vieles und hat viel Verbindungen. Er ist hier in Berlin bei der Eisenbahndirektion.«
Er stutzte, dann lachte er. »Das ist wirklich komisch, Fräulein Eich«, sagte er. »Ich habe nämlich früher auch ein ganz klein bißchen mit der Eisenbahndirektion zu tun gehabt. Vielleicht komme ich wirklich einmal zu Ihrem Vater. – Adieu, Fräulein Eich!«
Er hatte es ganz plötzlich gesagt, er war schon im Gehen, als sie sagte: »Nein, so dürfen Sie nicht gehen! Ich weiß doch, ich sehe Sie nie wieder, und ich muß erfahren, was aus alldem wird, sonst werde ich das Gefühl einer Schuld nicht los!«
»Aber ich sagte Ihnen doch, Sie haben an nichts schuld!« Jetzt wurde er nun doch ungeduldig.
»Ich fühle mich aber schuldig!« rief sie. »Wollen wir unsmorgen noch einmal treffen, wenn Sie geschlafen und alles überlegt haben? Bitte, sagen Sie ja!«
»Was soll das für einen Sinn haben?« murmelte er unentschlossen.
»Tun Sie es meinetwegen! Wollen wir uns morgen treffen, um diese Zeit, sagen wir im Wartesaal Zweiter auf dem Stettiner Bahnhof?«
»Nein, nicht auf dem Stettiner. Ich werde Sie anrufen, Fräulein Eich.«
»Und Sie werden es nicht vergessen? Sie versprechen es mir fest?«
»Ich verspreche es Ihnen. Es wird wahrscheinlich nicht morgen sein, sondern später. Ich muß erst klarsehen. Aber ich verspreche es Ihnen.«
»Ich danke Ihnen. Ich bin sehr froh. Das heißt …« Sie sah ihn verwirrt an. Dann sagte sie hastig: »Also auf Wiedersehen!« und ging. Auch er ging, er aber, ohne sich noch einmal umzusehen.
77. Karl Siebrecht wird Aufkäufer
Siebrecht fand den Händler Emil Engelbrecht in seinem kleinen Büro, wie er Papiergeld sortierte. Tische und Stühle waren mit Bergen von Scheinen bedeckt, ein zusammenstürzender Geldhaufen hatte einen Regen dieser bunten Zettel auf den Fußboden fallen lassen. Karl Siebrecht bückte sich schweigend und fing an aufzusammeln.
»Ach, lassen Sie doch«, sagte Engelbrecht. »Eigentlich könnte der Dreck ebensogut ausgefegt werden. Er macht bloß Arbeit. Und man bildet sich ein, man hätte Geld. – Haben Sie in den nächsten Tagen ein bißchen Zeit?«
»Ich habe sogar viel Zeit in den nächsten Tagen!«
»Schön. Dann werden wir Ihnen zwei Handtaschen mit diesem Dreck vollstopfen, und Sie werden für mich einkaufen gehen.«
»Was soll ich denn für Sie einkaufen?«
»Irgendwas! Fahrräder, Autos, Stoffe, Uhren, Seife – was Sie eben kriegen. Ist ja ganz egal, bloß, daß ich dies Zeugs loswerde!«
»Ich fürchte, ich bin ein schlechter Händler, Herr Engelbrecht.«
»Sie sollen auch gar nicht handeln, Sie sollen kaufen, was Ihnen vor die Nase kommt. Am schönsten wären Autos – wissen Sie nicht jemanden, der mit alten Autos handelt?«
Karl Siebrecht fiel jemand ein. Er antwortete kurz: »Viel leicht .«
»Na schön«, sagte Engelbrecht. »Klemmen Sie sich tüchtig dahinter, es soll Ihr Schade nicht sein. Ich werde Sie mit Ware, nicht mit Geld bezahlen.«
»Herr Engelbrecht, ich suche aber eine dauernde Beschäftigung, ich würde auch einen Lastzug hier in Berlin führen. Ich brauche auch ein Zimmer hier in der Nähe, einen Vorschuß …«
Der Händler richtete seine dunklen, glanzlosen, zu kleinen Augen auf ihn. »Na schön, das können Sie alles haben. Vorschuß nehmen Sie sich von dem Geld, soviel Sie brauchen. Den verrechnen wir später. Wohnen können Sie hier, waschen werden Sie sich im Stall drüben. Lange halten Sie es ja doch nicht bei mir aus. Sie fangen bestimmt selbst was an.«
»Glauben Sie? Ich suche schon Jahre danach.«
»Manchmal sucht man, was man schon hat«, meinte der
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