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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Knabe Karl erledigte diese Dinge eigentlich recht willig. Er war fast froh, aus dem endlosen, immer etwas düsteren Zeichensaal zu kommen. Er rannte in die frische Winterluft, er lernte immer neue Straßen kennen. In so vielen Häusern hatte er nun Geschäfte – wenn der Herr Feistlein dachte, ihn zu ärgern, so irrte er sich sehr. Das war des Karl Siebrecht Ehrgeiz nicht, ein perfekter Bauzeichner zu werden, um etwa in seinem fünfzigsten Lebensjahre zum Vorsteher einer solchen Stube aufzurücken. Das alles war, er fühlte es, nur Durchgangsstation, eines Tages würde es zu Ende sein, mit oder ohne Herrn Feistlein.
    Es sah beinahe so aus, als sollte es mit Herrn Feistlein zu Ende gehen. Denn der Ingenieur ging dazu über, den Knaben Karl auch zu persönlichen Besorgungen anzuhalten. Dann waren aus einem Geschäft in der Französischen Straße zehn ganz bestimmte Zigarren zu holen, dann aus der Weinhandlungdes noch nicht lange eröffneten Hotels Adlon eine Flasche Cognac. Der Knabe Karl brachte Cognac und Zigarren, er war sowieso unterwegs, er war ohne Berufsstolz, er brachte, was Herr Feistlein verlangte. Bald aber mußte er auch extra für Herrn Feistlein über die Straße laufen. Jetzt war es nach einem Glas Bier, das vorsichtig unter den Zeichentisch gestellt wurde, nun nach Schrippen und Leberwurst, nun nach zwei sauren Gurken und nun wieder nach einem Glas Bier. Siebrecht merkte die Absicht, und sein jugendlicher Trotz lehnte sich auf. Aber es war schwer, da böswillig aufzuhören, wo er gutwillig angefangen hatte. Der Ingenieur hatte seine Wünsche ganz allmählich vermehrt, der Punkt, wo sie das Erträgliche überschritten hatten, war längst vorbei – es mußte ein besonderer Anlaß kommen, der Karl Siebrecht berechtigte, seinem Vorgesetzten den Gehorsam aufzukündigen.
    Wer wartet, gewinnt. Es kam ein Nachmittag, an dem Herr Oberingenieur Hartleben nicht auf der Zeichenstube anwesend war, der Chef hatte ihn zu sich gerufen. Dies hatte Herr Feistlein zum Anlaß genommen, auch sich auf ein oder zwei Stunden von der Zeichenstube zu beurlauben, ohne vom Chef dazu berufen zu sein. Als Feistlein gegen vier Uhr nachmittags die Stube wieder betrat, glühte sein Antlitz wie eine schöne rote Holländer Tulpe.
    Herr Feistlein war nicht gesonnen, sich nun sogleich an seine Arbeit zu machen. Er ging erst eine Weile, gewaltig leuchtend, auf und ab, wobei er die Zeilen vor sich hinsummte: »Wo sind sie, die vom breiten Stein nicht wankten und nicht wichen, die ohne Moos bei Bier und Wein den Herrn der Erde glichen? Sie zogen mit gesenktem Blick in das Philisterland zurück. O jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!« – »Knabe Karl!« rief Herr Feistlein herumfahrend: »Übersetze: quae mutatio rerum!«
    Der Knabe Karl hätte es sogar gekonnt, soviel Latein hatte ihm der Rektor Tietböhl immerhin beigebracht, aber er hatte keine Lust, sich hier zum Vergnügen der ganzen Zeichenstubeexaminieren zu lassen. So sagte er: »Keine Ahnung, Herr Feistlein!«
    »Da sieht man’s wieder!« rief Herr Feistlein, rot strahlend. »Nicht humanistisch gebildet! Oh, welch ein Abgrund von Unwissenheit bist du doch, Knabe Karl! Du ahnst es nicht, wie unwissend du bist, aber ich weiß es, und es tut mir wehe, wenn ich dich ansehe! Unser Kaiser hat gesagt, daß er das Realgymnasium wohl fördert, aber mit Treue an dem humanistischem Gymnasium hängt! Uns Humanisten liebt unser herrlicher Kaiser nach seinen Herren Offizieren am meisten. – Da habt ihr’s!«
    Damit fuhr Herr Feistlein zu den grinsenden Zeichnern, deren Gesichter sofort ernst oder beifällig wurden, herum und vergaß eine Weile den Knaben Karl. Er ging nun von Zeichentisch zu Zeichentisch, tadelte vieles und fuhrwerkte gewaltig mit seinem Bleistift herum, hütete sich aber wohl, auch nur einen einzigen Strich zu tun. Denn so klar war er noch, seinem Zustand zu mißtrauen. Dann sank er in den Stuhl vor seinem Tisch, stützte das Haupt in die hohle Hand und versank in tiefes Sinnen. Es wäre nun alles gut abgelaufen, wenn Herr Feistlein nicht von dem Schlackerwetter draußen nasse Füße gehabt hätte. Ohne dies wäre er sanft entschlummert, eingelullt von dem warmen Sausen der Gasflammen.
    Aber seine Füße störten ihn. Ein paarmal starrte er irritiert auf sie, dann richtete er sich auf und schrie: »Karl, Knabe Karl!«
    »Jawohl, Herr Feistlein?«
    »Mal herkommen!« Der Knabe Karl kam, er stand vor seinem Herrn und sah ihn an. »Zieh mir mal die Dinger aus!« sagte

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