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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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nicht zu viel verlangt zu sein. Immerhin ist es doch in Spielfilmen auch so, oder nicht? Du schläfst in den Armen des anderen ein und bis zum Morgen bewegt sich keiner. Aber es hat mich wahnsinnig gemacht. Ich habe gewartet, bis er eingeschlafen war, und dann habe ich mich unter ihm herausgelöst und bin auf die andere Seite vom Bett gerutscht, aber er ist ein Jäger …«
    Lynn schiebt den Farbeimer weiter. »Oh nein.«
    »Doch. Er gehört zu diesen Jägern. Er rutscht mir im Schlaf hinterher. Ich lande ganz am Rand des Bettes, hänge mit einer Pobacke in der Luft und warte, bis er sich wieder zurechtgelegt hat, dann befreie ich mich erneut, stehe auf und gehe auf die andere Seite vom Bett. Das funktioniert für
etwa eine Stunde, bis er sich auf die andere Seite wirft und wieder hinter mir herkommt. Schließlich, nach ein paar Nächten reinster Folter, sage ich ihm, dass ich einfach nicht berührt werden will, wenn ich schlafe.«
    »Und damit war er einverstanden?«
    »Grundsätzlich schon. Er hat es nicht als etwas besonders Symbolisches oder so gesehen. Als wir dann das nächste Mal zu Bett gegangen sind, habe ich ihm einen dicken, fetten Gutenachtkuss gegeben, mich auf meine Bettseite gerollt und bin geradewegs eingeschlafen. Aber jedes Mal, wenn ich während der Nacht aufgewacht bin, war er wach. Die Hälfte der Zeit war er noch nicht einmal im Bett. Er ist aufgestanden und auf und ab gewandert.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Ich habe gesagt: ›Bist du immer noch wach?‹, und er hat geantwortet: ›Ja‹, weil er natürlich noch wach war, da stand und aus dem Fenster schaute. Ich wollte wissen, was er in all den Nächten mache, in denen er auf Geschäftsreise sei, und schließlich erzählte er mir - ich könnte schwören, dass ihn das fast umgebracht hat -, dass er dann drei Kissen aneinanderlegt, quasi als künstliche Frau, sein Bein über sie legt und einschläft. Also habe ich entschieden: ›Gut, wir müssen also eine Susan machen‹, er entgegnete: ›Mach dich nicht lächerlich‹, doch ich holte alle übrigen Kissen aus dem Schrank, und wir legten sie zwischen uns, in die Mitte des Bettes, eine Susan. Er warf sein Bein über sie, ich legte mich auf der anderen Seite flach auf den Rücken, und wir schliefen beide durch bis zum Morgen. Inzwischen machen wir es automatisch so. Ich fordere beim Einchecken sogar zusätzliche Kissen an. Und zwar drei. Ich glaube, sie ist größer als ich.«
    Lynn sieht zu mir hoch. »Das ist eine ziemlich verrückte Geschichte, Elyse.«

    »Ich weiß. Aber du hast mich gefragt, was ich seiner Frau gegenüber empfinde, und ich versuche deine Frage zu beantworten. Ich habe nicht etwa vergessen, dass sie da ist. Himmelherrgott, sie liegt buchstäblich im Bett zwischen uns. So ist das, wenn du fast vierzig und verheiratet bist und eine Geliebte oder einen Geliebten hast. Du tust alles, was notwendig ist, damit es für jeden gut läuft, für alle Leute in all ihren Betten. Dir wird bewusst … dir wird bewusst, dass keiner es verdient, verletzt zu werden, weder dein Mann noch seine Frau und vor allem nicht diese vier kleinen Kinder, die nie etwas falsch gemacht haben. Du stellst fest, dass du alles tust, was nötig ist.«
    »An dem Tag, an dem ich geschieden wurde«, beginnt Lynn. »Ich weiß nicht … Willst du eine Pause einlegen?«
    Ich nicke. Wir gehen hinaus, überqueren den Spielplatz, kommen an der Hütte vorbei, in der die Jugendgruppe ihre Treffen abhält, und gelangen zu einer Bank, dem einzigen Platz auf dem Kirchhof, der im Schatten liegt. Lynn setzt sich und schraubt ihre Wasserflasche auf.
    »Also. Was ist an dem Tag, an dem du geschieden wurdest, passiert?«
    »Ich weiß nicht, warum ich dir das erzähle.«
    »Weil du glaubst, dass ich es wissen muss. Und wahrscheinlich hast du Recht. Du bist die Einzige, die mir auf diesem Weg schon vorausgegangen ist.«
    Sie lacht, nimmt ihre Baseballkappe ab und versucht, ihre Haare aufzuschütteln. »Ich weiß nicht, ob ich es so ausdrücken würde.«
    »Komm schon. Wo warst du? In der Stadt oben?«
    »Ja … Ich habe Andrew aus dem Gerichtsgebäude kommen sehen, er sah schrecklich aus. Ich saß in meinem Auto und hab ihm zugesehen, wie er über den Parkplatz ging und in seinen kleinen geleasten Toyota stieg. Er saß einfach nur
da, den Kopf auf das Steuerrad gesenkt. Ich hätte nicht sagen können, ob er weinte oder betete oder einfach nur nachdachte. Während wir verheiratet waren, hat er kaum so etwas gemacht …« Ich

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