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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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das etwas Wunderschönes, eine Art Bewegungskunst, die ich nie erfassen und nie wieder so sehen würde.
    Kelly rief mich in dem Moment an und erzählte mir, dass sie die Nacht im Regen verbracht und auf einem Picknicktisch gevögelt hatte, und dann fragte sie sehr sanft: »Und was machst du?«
    Ich stand da und schaute in das heftig kochende Wasser hinunter. Meine Antwort lautete: »Nichts.« Ich atmete in einer Art Gebet aus.
     
    Eines Tages bog ich spontan in den Parkplatz einer Kirche ein, vor der ein Schild mit der Aufschrift »Mom’s Auszeit - Kleinkindbetreuung« stand. Tory war allmählich alt genug, um jede Woche ein paar Stunden weggegeben zu werden. Allein schon der Gedanke, Besorgungen allein zu erledigen, war prickelnd. Lebensmittel einkaufen, ohne dass ihr Kindersitz
den ganzen Einkaufswagen einnahm. Haare schneiden, ohne dass die Friseuse alle paar Minuten den Föhn ausschalten musste, damit ich hören konnte, ob Tory zu weinen angefangen hatte. Und, du lieber Himmel, einfach nur die Vorstellung, eine Freundin zum Mittagessen zu treffen. Als ich auf dem College war, hatte ich immer behauptet, Kirchen seien Sekten, aber diese spezielle Sekte hier war bereit, meine Tochter an zwei Vormittagen in der Woche aufzunehmen, und das war mir gut genug.
    Ich brachte Tory zur Kleinkindbetreuung, und am nächsten Sonntag gingen Phil und ich in die Kirche. Nur um sie zu testen, sagte ich ihm, um uns zu vergewissern, dass wir sie an geeigneter Stelle abgeben. Es war eine Presbyterianische Kirche, die Konfession, in der ich aufgewachsen bin, ich kannte alle Lieder auswendig. Auch Phil kannte sie. Er konnte die jeweils erste und zweite Strophe singen, ohne ins Gesangbuch zu schauen, und erst bei der dritten und vierten mussten wir das Buch nehmen und wirklich auf die Seite sehen. Mich überraschte das an ihm, und ich glaube, es überraschte ihn auch an mir.
    Nach dem Gottesdienst drängelten sie sich um uns. Natürlich taten sie das, denn wir waren ein junges Paar mit Kind. Wir waren das, was sie sich wünschten. Ob wir Whist spielen würden? Softball? Handglocken? Ob ich Interesse hätte, dem Literaturkreis beizutreten? Alles, was als Annehmlichkeit anfängt, wird einen irgendwann unweigerlich einengen - ich weiß das jetzt, und ich wusste es auch schon damals. Doch etwas in mir wünschte sich eine Gemeinschaft. Ich sehnte mich nach dem Gott meiner Kindheit. Wir holten Tory aus dem Spielzimmer, wo uns eine vollbusige Frau sagte, dass sie ein Engel gewesen wäre, und liefen durch ein Spalier aus Gratulanten zum Auto. Als wir den Rückwärtsgang einlegten und all den Leuten zuwinkten, die
uns zuwinkten, meinte Phil: »Vielleicht sollten wir es machen - für sie. Um ihr eine beständige Umgebung zu schenken.«
    »Ja«, sagte ich. »Um ihr etwas zu geben, gegen das sie rebellieren kann, wenn sie dreizehn wird.« Als wir losfuhren, schaute ich in den Rückspiegel und beobachtete, wie die Kirche kleiner und kleiner wurde. Als Kind ging ich zur Kirche, lernte die Lieder und Bibelverse. Ich trank den süßen Saft, aß das dünne Gebäck, spielte mit den ramponierten Puppen im Spielzimmer und lauschte den brummenden Fliegen, die gegen die bemalten Fensterscheiben bumsten. Es hat mir nicht geschadet.
    Phil blinzelte in die Mittagssonne. »Irgendwie ist es nett.«
    »Ich weiß.«
    »Ist dir aufgefallen, dass sie ein Basketballteam haben?«
    Es dauerte nicht lang, und ich entwickelte die Beziehungen, die du mit Frauen eben hast, deren Kinder ebenso alt sind wie deine. Zuerst mit Belinda. Sie warb energisch um meine Freundschaft, in der zweiten Woche, in der ich Tory abgab, kam sie auf mich zu und lud mich zum Kaffee ein. Bald schon rief sie mich täglich an, manchmal sogar schon morgens, obwohl ich ihr mehrmals sagte, dass ich dann arbeiten würde. Ich setzte den Anrufbeantworter wie einen Schutzschild gegen sie ein. Nachmittags, wenn Tory quengelig und alle Konzentration sowieso zum Teufel war, rief ich Belinda zurück. Ich spazierte mit dem Baby im Tragetuch und dem Telefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt durchs Haus, brachte den Müll hinaus, während sie erzählte, dass Michael diese Woche immer bis spätabends arbeite, goss die Blumen, während sie flüsterte, dass sie wieder ein Baby erwarte, faltete die Wäsche, während sie mir mitteilte, dass sie den Verstand verlöre. Es war eine Erleichterung,
als Nancy aus New Jersey herzog und Belinda sofort die Anrufe einstellte. Nancy war so gut organisiert, dass sie die

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