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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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ausgehalten und auch das Kaminfeuer und deinen gigantischen Scheißbaum, hättest du nicht das verdammte ›Silver Bells‹ im Hintergrund gespielt. Hast du gewusst, dass das das Lieblingsweihnachtslied von meinem Daddy war? Was hast du mit mir vor? Soll ich mich fühlen wie der einsamste Mensch auf der Erde? Und muss dein Baby so süß sein? Du und Phil, ihr habt beide dunkle Haare … Warum ist Tory blond? Hast du dich das schon jemals gefragt? Woher hat sie diese blonden Haare? Hast du sie aus dem Katalog ›Das perfekte Baby‹ oder so etwas bestellt?«
    »Was ist los mit dir?«
    Kelly schleuderte ihre Handtasche auf den Boden. »Was mit mir los ist? Ich habe kein Zuhause, das ist mit mir los. Ich habe keine Familie. Ich habe kein Weihnachten und bei der Geschwindigkeit, mit der ich mich bewege, werde ich beides niemals haben. Vergangene Nacht bin ich spät heimgekommen, die Wohnung war dunkel, es war nichts außer …« Sie unterbrach sich, atmete aus. »Einem Stapel Post auf dem Küchentisch, und überall stinkt es nach Chemie, weil meine Putzfrau da war. Es war wahrscheinlich ein Tilex-Reinigungsmittel
oder Bleiche. Alles ist viel zu weiß, die ganze Wohnung ist weiß, in meinen Küchenschränken ist nichts zu essen, und es gibt nichts Lebendiges, weil ich zu oft unterwegs bin, um mir einen Fisch oder eine Pflanze zu halten. Und sag mir nicht, dass das alles meine eigene Schuld ist, wage es nicht. Du weißt ja nicht, wie es ist, wenn du spät abends allein nach Hause kommst, und alles ist weiß und ruhig und stinkt nach Chemie. Wie könntest du das auch verstehen, wo doch dein Haus vollkommen ist und alles nach Zimt duftet? Dir fällt alles in den Schoß, Elyse, das war schon immer so.«
    »Du machst wohl Witze«, sagte ich. Ich war so wütend, dass das Zimmer vor meinen Augen verschwamm. »Ich bring mich hier um. Ist das alles, was dir aufgefallen ist - dass es gut duftet? Komm her, steck deine Nase in diesen Abfalleimer. Tory hat heute dreimal vollgekackte Windeln gehabt, und ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit, den Beutel raus in die Müllcontainer zu tragen. Ich will keine 144 Plätzchen backen, Kelly, niemand, der bei Verstand ist, will gern 144 Plätzchen backen. Mein Weihnachtsbaum kippt um. Er ist an der Decke angebunden, und er ist schief und wird eines Nachts, wenn ich schlafe, restlos umkippen. Und was soll ich dann machen? Wie soll ich ihn mit all den Lichtern und dem Schmuck wieder hinstellen? Du schlenderst hier herein, gestylt und attraktiv, ist dir denn überhaupt aufgefallen, dass ich mein Nachthemd anhabe? Es ist fünf Uhr nachmittags, es ist fast dunkel, und ich bin immer noch im Nachthemd. Du erzählst mir, dass der Kragen deines achthundert Dollar teuren Kostüms an deinem vedammten Maui-Sonnenbrand scheuert, dass du einen Jetlag hast und nicht weißt, ob du es aushältst, dein Haar zu föhnen und schluchz-schluchz. Wir sind pleite, Kelly, dieses Haus bringt uns um, und du kommst heulend zu mir, weil dir irgendein
jüdischer Typ ein Weihnachtsgeschenk macht, das in langweiliges altes blau-weißes Tiffany-Papier verpackt ist. Weißt du, was ich damit sagen will? Weißt du, was ich mir zu Weihnachten wünsche? Wenn ich in deine nette, saubere, weiße, leere Eigentumswohnung gehen könnte, wo keiner kocht und keiner kackt, und wenn ich mich für nur eine Nacht in dein nettes, sauberes, weißes, leeres Bett legen und acht Stunden am Stück schlafen könnte, dann würde ich denken, ich wäre gestorben und im Himmel, Kelly, ich würde ganz bestimmt denken, ich wäre auf der beschissenen Insel Maui.«
    Wir standen einen Augenblick lang da und starrten uns an.
    »Oh«, sagte Kelly schließlich. »Puh, ich hatte ja keine Ahnung. Jetzt fühle ich mich gleich in jeder Hinsicht besser.«
    Wir lachten gleichzeitig schallend los, sie kam zu mir und warf, ohne an ihren Sonnenbrand zu denken, ihre Arme um mich. Tory, die uns mit großen Augen zugesehen hatte, zwängte sich zwischen uns und fing an, mit ihren kleinen Händen auf unsere Oberschenkel zu patschen. Kelly beugte sich hinunter und hob sie hoch.
    »Tatsache ist«, flüsterte sie, »ich will haben, was du hast.«
    Sie wollte nicht haben, was ich hatte. Sie wusste nicht, was ich hatte, sie wusste nur, wie es von außen aussah. Doch es war fast zwei Jahre her, seit Daniel sie verlassen hatte, und jetzt war ihr Daddy gestorben, und es war Weihnachten. »Ich weiß, Mädchen«, sagte ich.
    Sie lächelte und zog sich, Tory auf der Hüfte

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