Ein Mann zum Heiraten
“Ich sollte jetzt besser zurückfahren. Sally wundert sich bestimmt schon, wo ich bleibe.” Dann verließ er die Küche.
Poppy begann zu zittern, als sie sah, wie James sie musterte.
“Und was genau will er beherzigen?”, erkundigte er sich mit drohendem Unterton. “Oder soll ich raten? Hast du ihm gesagt, wie sehr du ihn immer noch liebst, Poppy? Wie sehr du ihn immer noch begehrst?”
“Nein!”, rief sie entsetzt. “Du hast alles falsch verstanden, James. So war es nicht. Chris …”
“Lüg mich nicht an”, unterbrach er sie schroff. “Es hat keinen Sinn. Wir wissen beide, was du für Chris empfindest. Wie hast du es geschafft, ihn herzulocken? Und was hast du ihm gesagt? Dass du wünschst, er hätte dich geheiratet, dass du dich nach ihm gesehnt hast, als du in meinen Armen gelegen hast?”
“Nein”, widersprach sie, zutiefst beunruhigt über seinen scharfen Tonfall. “Nein, natürlich nicht. James, du hast …”
“Nein! Was hast du ihm gesagt? Hast du ihm vielleicht erzählt, wie du mich angefleht hast, mit dir zu schlafen und dich zu befriedigen?”
Poppy blickte ihn schockiert an. Noch nie hatte sie ihn so außer sich erlebt.
“Du konntest nicht einmal so lange warten, bis ich weg bin, stimmt’s? Wie lange geht das schon so, Poppy? Wie oft hat er dich besucht, wenn ich nicht hier war?”
Nun hatte sie genug, und ihr Entsetzen wich einer tiefen Traurigkeit. “Was kümmert dich das überhaupt?”, entgegnete sie bitter. “Du bist doch sowieso nie hier und …”
“Aber Chris ist es natürlich. Wie hast du ihn hergelockt? Hast du so getan, als müsstest du dich einmal bei ihm ausweinen? Was erhoffst du dir eigentlich davon, Poppy? Du weißt doch, dass er dich nicht will.”
“Ja, das weiß ich”, bestätigte sie mit einem gequälten Ausdruck in den Augen und fügte im Stillen hinzu: Und du willst mich auch nicht.
“Chris ist hergekommen, um mit mir über Sally zu reden”, fuhr sie schließlich leise fort. “Er macht sich Sorgen, weil sie sich ein Baby wünscht, obwohl sie sich einig waren, dass sie damit noch eine Weile warten wollten.”
“Ein Baby … Hast du ihm deshalb gesagt, dass sie nicht die Einzige ist, die sich ein Kind von ihm wünscht? Und hat er deshalb behauptet, du wärst immer etwas Besonderes für ihn gewesen?”
Poppy errötete verlegen, denn genau das hatte Chris zu ihr gesagt.
“Er wollte mich nur um Rat fragen … als mein Cousin”, erklärte sie mit bebender Stimme.
“Als dein Cousin! Hast du ihm deshalb in den Armen gelegen?”, erkundigte James sich sarkastisch. Dann verließ er die Küche und ging in die Diele.
“James, wohin gehst du?”, rief sie.
“Ich habe etwas vergessen”, entgegnete er finster. “Da ich weiß, dass du immer hoffst, ich sei nicht da, wenn du nach Hause kommst, habe ich mich beeilt und einige Unterlagen liegen lassen. Ich bin zurückgekommen, um sie zu holen.”
“James, wir müssen miteinander reden”, sagte sie tapfer. “So können wir nicht weitermachen.”
“Und was schlägst du vor? Sollen wir uns scheiden lassen? Halt dich bloß von mir fern, sonst tue ich noch etwas, das uns beiden leidtun wird.” Auf der Türschwelle drehte er sich noch einmal um und fuhr unbarmherzig fort: “Und ich warne dich: Falls du meinen Bruder je dazu bringen solltest, deine pubertären Wunschträume zu erfüllen, werde ich dafür sorgen, dass ihr es beide bereut, überhaupt geboren zu sein. Du liebst ihn nicht, Poppy. Du weißt überhaupt nicht, was
wahre
Liebe ist.”
Nein, ich liebe ihn nicht, stimmte sie ihm in Gedanken zu. Ich liebe dich. Als sie kurz darauf draußen das Motorengeräusch seines Wagens hörte, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
Sie wusste, wie es war, wahre Liebe zu empfinden. Allerdings wusste sie nicht, wie es war, genauso wiedergeliebt zu werden. “Und was schlägst du vor?”, hatte James gefragt. “Sollen wir uns scheiden lassen?” Bedeutete das, er bereute es bereits, sie geheiratet zu haben? Wollte er ihre Ehe so schnell wie möglich beenden?
Da sie die Vorstellung, allein in dem großen Haus zu sein, nicht ertragen konnte, verbrachte Poppy das restliche Wochenende bei ihren Eltern. Dass sie so blass und geistesabwesend war, erklärte sie den beiden damit, dass sie James vermisste. Schließlich stimmte das auch – oder zumindest teilweise.
Am Montagmorgen hatte sie rasende Kopfschmerzen, vermutlich, weil sie die halbe Nacht geweint hatte. Obwohl ihre Mutter ihr vorschlug, lieber im Bett
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