Ein Meer von Leidenschaft (German Edition)
bestand für Dominic nicht der geringste Zweifel.
Die „Liberty“ war mitsamt ihrer Ladung, bestehend aus Zucker, Tee, Wein, Stoffen und anderen Waren für die Kolonien, untergegangen. Hardesty hatte die Ladeliste bis auf den letzten Zwieback nachvollzogen. Beim Verlassen des Heimathafens in England hatte das Schiff ebenfalls Gold an Bord. Fünfundzwanzigtausend Goldmünzen des Königreiches.
Dominic hob den Kopf und bemerkte, dass Kate ihn beobachtete.
„Interessant“, lautete sein Kommentar, bevor er nach dem nächsten Notizbuch griff.
Es hatte drei Überlebende des Unglücks gegeben, die sich auf eine Insel retten konnten. Einer von ihnen, ein Besatzungsmitglied, hatte einen ausführlichen Bericht über das Unwetter hinterlassen, das der „Liberty“ zum Verhängnis geworden war. Es handelte sich um eine schauerliche Geschichte. Es sollten fünf Meter hohe Wellen über dem Schiff zusammengeschlagen sein. Die grausige Erzählung von zerberstendem Holz und eindringenden Wassermassen hatte Hardesty mit sachlichen Fußnoten kommentiert.
Der Berichterstatter konnte ebenfalls die zuletzt bekannte Position des Schiffes vor dem Untergang nennen.
Dominic brauchte Hardestys Berechnungen nicht erst nachzuprüfen, um zu wissen, dass das Schiff demnach vier Kilometer vor der Küste von Ocracoke versunken war.
Er überflog die fundierten Theorien, die einleuchtenden Ausführungen, die Kates Vater mit der Aufzählung unzähliger Tatsachen bekräftigt hatte, und schaute sich die Seekarten mit den Markierungen an. Flüchtig erinnerte er sich an Hardestys großes Interesse an den Gezeiten und am Tauchen. Nun wunderte er sich nicht mehr darüber.
Er ist also auf der Suche nach Gold gewesen und hat die ganzen vergangenen Jahre über Forschungen betrieben, überlegte Dominic. Bei jedem anderen hätte er die Unterlagen als Hirngespinst abgetan. Hier auf der Insel und in den Städtchen entlang der Küste erzählte man sich unzählige Geschichten von versunkenen Schätzen. Die Existenz von Piraten, die die Küstengewässer in früheren Jahrhunderten unsicher gemacht hatten, nährte derartige abenteuerliche Schilderungen zusätzlich.
Diese Unterlagen aber stammten von Doktor Edwin J. Hardesty, einem fantasielosen und humorlosen Mann, der keine Zeit mit unsinnigen Träumereien vertan hätte. Und dessen Tochter Kate saß ihm, Dominic, gegenüber und wollte seine Unterstützung. Er spürte, wie seine Neugier und seine Abenteuerlust wuchsen.
Dominic schloss das letzte Notizbuch und griff nach seiner Bierflasche. „Du möchtest also auf Schatzsuche gehen.“
Kate ignorierte den ironischen Tonfall. Sie stützte ihre Unterarme auf den Tisch und beugte sich vor. „Ich habe die Absicht, das zu vollenden, was mein Vater begonnen hat.“
„Glaubst du an einen Schatz?“
Kate überlegte einen Augenblick. „Ich glaube jedenfalls nicht, dass all die Arbeit und Mühe meines Vaters umsonst gewesen sein sollten“, antwortete sie dann. „Ich möchte zumindest versuchen, die ,Liberty‘ zu finden. Dazu benötige ich deine Hilfe. Du wirst entsprechend entlohnt werden.“
„Was du nicht sagst.“ Dominic betrachtete die restliche Flüssigkeit in der Flasche.
„Ich brauche dich, dein Boot und deine Ausrüstung für einen Monat, vielleicht auch zwei. Ich kann nicht allein tauchen, weil ich die Gewässer nicht gut genug kenne. Ein Risiko möchte ich keinesfalls eingehen. Außerdem darf ich keine Zeit verlieren. Ich muss Ende August wieder in Connecticut sein.“
„Um neuen Kreidestaub an die Finger zu bekommen?“
Kate lehnte sich zurück. „Du hast kein Recht, meinen Beruf zu kritisieren.“
„Ich bin sicher, dass die Kreide in Yale ganz hervorragend ist“, entgegnete Dominic. „Du willst also in ungefähr sechs Wochen diesen Goldschatz bergen?“
„Falls die Berechnungen meines Vaters stimmen, dürfte es nicht so lange dauern.“
„Falls“, gab Dominic zu bedenken. Langsam stellte er die Bierflasche auf den Tisch. „Ich habe keinen Stundenplan, der mich verpflichtet. Du möchtest sechs Wochen von meiner Zeit, und du kannst sie haben. Zu einem bestimmten Preis.“
„Der wäre?“
„Einhundert Dollar pro Tag und fünfzig Prozent des Fundes.“
Kate bedachte Dominic mit einem kühlen Blick und begann die Notizbücher in ihre Aktentasche zu schieben. „Vor vier Jahren mag ich dumm gewesen sein, heute bin ich es nicht mehr. Einhundert Dollar pro Tag sind viel zu viel für einen solch langen Zeitraum. Und fünfzig
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