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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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ihm hinunter und sagte leise ein paar Worte. Der Mann hob nahezu gelangweilt den Kopf und bot Hezechäus an, sich neben ihn zu setzen. Sie unterhielten sich im Flüsterton. Diesmal würdigte der Schreiber Jesus eines eingehenden Blickes, schließlich nickte er. Hezechäus erhob sich und pochte leise an eine Tür, bevor er sie öffnete und Jesus mit einem Wink bedeutete, ihm zu folgen.
    Nur zwei Männer befanden sich in dem Raum, der jedoch viel kleiner war als der erste. Sie standen über eine Schriftrolle gebeugt, und einer der beiden wies mit dem Finger auf eine Textstelle. Als Jesus und Hezechäus eintraten, steckte er vermutlich gerade mitten in einem Satz; sein Finger verharrte an dieser Stelle. Sein schlohweißer Bart hob sich scharf von der sonnengebräunten Haut seines kahlen Kopfes ab. Obwohl ihm infolge seines Alters die Augen tränten, wirkte der Blick, den er auf die Störenfriede richtete, aufgeweckt und flink wie der eines Wiesels. Der andere hingegen hatte graue Haare und blickte stumpf dösend vor sich hin.
    »Erlaubt ihr, daß ich euch unterbreche?« fragte Hezechäus. »Unser Bruder Elias hat mir gestattet, euch einen Fremden vorzustellen, der in unsere Gemeinschaft eintreten möchte. Er ist der Vetter unseres Bruders Jokanaan und heißt Jesus.«
    Die beiden Männer antworteten mit einem unmerklichen Nicken. Einige Augenblicke lang musterten sie Jesus von Kopf bis Fuß. Jesus ließ indessen seinen Blick über die mit Schriftrollen vollgepfropften Regale schweifen; die Pergamentrollen sahen alle gleich aus, man konnte lediglich erkennen, daß manche öfter benutzt wurden und folglich stärker abgegriffen waren.
    »Wann bist du angekommen?« fragte der Ältere.
    »Zwischen der achten und neunten Stunde.«
    »Woher kommst du, und wer ist dein Vater?«
    Jesus antwortete in zwei Sätzen.
    »Welcher Josef aus Bethlehem war dein Vater?« hakte der ältere der beiden, der mit dem Bart, nach. »Ich kenne Bethlehem recht gut, denn auch ich bin dort geboren. Es gab da einen Josef, Sohn des Jakobus, ein Pharisäer und Priester, der außerdem für das Holz beim Tempelbau zuständig war. Den kannte ich. Aber der war alt.«
    »Er war mein Vater.«
    »Du bist also der Sohn eines Priesters«, warf der Jüngere ein. »Aber warum gingst du nach Galiläa, wenn dein Vater doch Priester im Tempel war? Wurde dir Unterricht erteilt?«
    Wiederum antwortete Jesus in zwei Sätzen.
    »Josef war Nazarener«, bemerkte der Ältere. »Ließ er dich auch das Gelübde ablegen?«
    »Nein.«
    Sie setzten sich an einen Tisch.
    »Was veranlaßte dich, nach Qumran zu kommen?«
    Jesus merkte plötzlich, daß er es nicht mehr wußte. Und außerdem, diese ewigen Prüfungen...
    »Jokanaan«, erwiderte er nach einer Weile. Er machte eine vage Handbewegung und fügte dann leise hinzu: »Hoffnung. Verzweiflung.«
    »Hoffnung?« fragte der Ältere.
    Wenn sie nicht wußten, was man erhoffen konnte, was sollte man da antworten?
    »Und weiter?« beharrte er.
    »Hoffnung und Verzweiflung, die zwei Seiten ein und derselben Medaille«, sagte Jesus.
    Der Jüngere schien allmählich aus seiner schläfrigen Lethargie aufzuwachen.
    »Warum hat mein Vater unglücklich sterben müssen?« fuhr Jesus fort. »Weil der Klerus in Jerusalem das Gesetz für einige Gunstbezeigungen der Römer und ihrer Hampelmänner verkauft hat.«
    Der Ältere warf einen gelangweilten Blick zur Decke und meinte: »Niemand benötigt Priester, um das Gesetz zu beachten.«
    »Was nützt eine einsame Weizenähre auf einem verlassenen Feld?« gab Jesus zurück.
    »In welchem Buch steht das geschrieben?« erkundigte sich der Jüngere.
    »In keinem.«
    Erneut musterten sie ihn.
    »Wo ist deine Mutter?« fragte der Ältere.
    »Sie lebt bei meinen Brüdern in Galiläa.«
    »Bist du verheiratet?«
    »Nein.«
    »Wie wird ein junger und gesunder Mann mit seiner Leidenschaft fertig?«
    »Es kostet mich keine sonderliche Mühe, sie im Zaum zu halten. Mein Kopf ist mit ganz anderen Dingen beschäftigt, so bleibt für Leidenschaft wenig Zeit und Freiraum.«
    »Aber steht nicht auch geschrieben, daß jeder Mann sich eine Frau nehmen und Kinder zeugen soll?«
    »Sät ein besonnener Landmann seinen Samen in brackigen Ackerboden?«
    »In welchem Buch...« wollte der Jüngere eben wieder fragen, besann sich aber dann doch eines anderen.
    »Es ist nicht leicht, unserer Gemeinschaft beizutreten«, ließ der Ältere Jesus wissen, ohne ihn dabei anzusehen. »Wir sind auf keine große Mitgliederzahl

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