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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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angewiesen. Wir können nur Männer brauchen, die uns selbst wiederum nötig haben, und mehr noch, wir brauchen nur die Besten von ihnen. Wir sind keine Zeloten, wir stellen keine Armee auf. Keine Armee kann das Ende der Zeiten auch nur um eine einzige Minute hinausschieben.« Er verschränkte seine Arme und legte eine kleine Pause ein. »Heute abend nach dem Essen wirst du noch einmal befragt, dann aber vom Rat der Zwölf. Wenn uns deine Antworten Zusagen, wirst du zum Noviziat zugelassen. Es dauert zwei Jahre. Erst wenn deine Probezeit zu unserer Zufriedenheit abgelaufen ist, können wir dich in unserem Kreis aufnehmen. Jeglicher Fehler, den du begehst, kann uns dazu veranlassen, dich vorübergehend oder endgültig aus unserer Gemeinschaft auszuschließen. Bist du bereit, diese strenge Disziplin auf dich zu nehmen?«
    »Ich schrecke vor keiner Disziplin zurück, wenn sie angebracht ist.«
    »Sehr gut«, bemerkte der jüngere Schriftgelehrte, während er sich erhob, um den Prüfling zur Tür zu begleiten.
    Aber Jesus machte keine Anstalten zu gehen. Er beobachtete sie, und sie starrten ihn an.
    »Was willst du noch sagen?« fragte der Grauhaarige.
    »Und was ist mit den Juden draußen in der Welt?« forschte Jesus nach. »Soll man sie einfach ihrem Schicksal überlassen?«
    Der Bärtige lehnte sich in seinen Sitz zurück, warf erneut einen Blick zur Decke und runzelte die Stirn. »Es hat keinen Sinn, das Meer zu pflügen«, entgegnete er. »Selbst wenn alle Propheten wieder auf die Erde zurückkehrten und sich in alle Städte Israels begäben, würde es ihnen nicht gelingen, auch nur einen Menschen mehr zu retten. Das Rad der Zeit hat sich zu Ende gedreht, die Schriftrolle ist gänzlich abgerollt, nur wenige Worte bleiben noch zu lesen übrig. Wenn das letzte Wort gelesen sein wird, schickt der Herr seinen Boten, und dieser wird das Ende der Tage verkünden. Die Bösen werden in einer letzten Schlacht besiegt werden. Wir können nichts weiter tun, als uns für diesen Tag bereit zu halten.«
    Der Abend nahte. Jesus spürte Müdigkeit in seinen Gliedern. Der jüngere Rabbiner zog an einer Schnur, woraufhin irgendwo ein Glöckchen bimmelte. Hezechäus tauchte wieder auf. »Ich heiße Efraim«, sagte der Rabbiner, »und mein Bruder hier, Matthias.« Dann wandte er sich an Hezechäus und wies ihn an: »Führe unseren Bruder ins Badehaus! Dort soll er sich mit den Novizen waschen. Dann wird er mit euch zu Abend essen.« Er setzte sich wieder, während Jesus Hezechäus folgte.
    »Du mußt dir vor dem Bad Erleichterung verschaffen«, klärte ihn Hezechäus auf, als sie das Klostergebäude verlassen hatten. »Siehst du die Büsche dort? Der Ort scheint mir dafür geeignet.« Er holte eine kleine Schaufel aus seiner Tasche und reichte sie Jesus, der sich fragte, was er damit anfangen solle. »Da, nimm!« forderte ihn Hezechäus auf. »Vergrabe, was du zu vergraben hast, eineinhalb Fuß tief! Ich warte hier auf dich, um mit dir zur Abendwaschung zu gehen.« Welche Umstände man sich doch wegen des Inhalts der Gedärme machte! Die Leute hier fieberten dem Ende der Tage entgegen, wozu also noch diese lächerlichen Vorkehrungen? Als er die Sache ordnungsgemäß hinter sich gebracht hatte, leuchtete der Himmel in rötlichblauem Licht. Hie und da wurden hinter den Fenstern des Klosters schon Lampen angezündet. Hezechäus deutete auf ein paar Männer, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten. Fast alle waren sie jung, manche sogar sehr jung. Sie trugen Lendenschurze, ihr Oberkörper war nackt, und jeder von ihnen hatte ein weißes Gewand über dem rechten Arm hängen. Jesus schloß sich ihnen mit Hezechäus an. Der Zug setzte sich in Bewegung und gelangte in einen Hof, in dessen Mitte sich ein von einem Springbrunnen gespeistes Wasserbecken befand, dessen Überlauf in einer steinernen Rinne abfloß. An den Mauern befestigte Fackeln spendeten Licht.
    »Wirst du auch mit uns ein Bad nehmen?« erkundigte sich Jesus. »Ja, ich bin noch Novize. In drei Wochen werde ich vielleicht als Bruder in die Gemeinschaft aufgenommen.«
    Obwohl er noch Novize war, vermied auch Hezechäus jeglichen körperlichen Kontakt mit dem ihm Anvertrauten. Als sich ihre Ellbogen einmal zufällig berührten, zuckte er zusammen. Jesus mußte ein Lächeln unterdrücken.
    Als schließlich alle versammelt waren — an die drei Dutzend Männer waren es wohl — , erhob sich eine Stimme: »Ihm wird nicht vergeben / Auch wenn er Buße tut / Und die reinigenden

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