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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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die Kaste der Hohenpriester. Sie sind Aristokraten, skeptisch und, wie ich meine, trotz ihres hohen Ranges recht lau in ihrer religiösen Überzeugung. Nimm doch ein wenig vom Salat! Er erfrischt den Gaumen und hilft zu rülpsen. Rülpsen ist gut für die Gesundheit.« Und tatsächlich, der König rülpste. »Nun, auch die Sadduzäer sind recht nützlich, weil sie die Pharisäer auf den Tod nicht ausstehen können. Die Pharisäer glauben an Engel, nach Ansicht der Sadduzäer ist dies jedoch schlichtweg ein Aberglaube. Die Pharisäer glauben an die Auferstehung der Toten am Tage des Jüngsten Gerichts, die Sadduzäer halten dagegen, daß die einzige Schrift, die in ihren Augen zählt, der >Pentateuch< beziehungsweise die Thora, davon keinerlei Erwähnung macht. Wie die Propheten erwarten auch die Pharisäer einen Messias oder einen Mann königlichen Geblüts, der am Ende unserer Zeit kommen soll, um das Königreich des Allmächtigen in Erfüllung gehen zu lassen. Die Sadduzäer erwarten niemanden dergleichen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie einen Messias wirklich ablehnen. Die Pharisäer sind der Ansicht, das Gesprochene Gesetz sei ebenso wichtig wie das Geschriebene Gesetz, die Sadduzäer erwidern, das einzige Gesetz, das sie kennten, sei das Geschriebene, und Gesetz könne nur sein, was niedergeschrieben ist. Alles in allem«, Herodes lachte glucksend, »hassen mich die Pharisäer, und die Sadduzäer sind froh über meine Protektion. Im großen und ganzen sind sie wie Hund und Katze. Wenn die Pharisäer Schwierigkeiten machen, läßt man eben den Sadduzäern lange Leine, und versteigen sich die Sadduzäer in Größenwahn, so läßt man die Pharisäer auf sie los. Willst du nicht von diesem Honigbrot kosten? Weißt du, wie es zubereitet wird? Tränke drei Tage und drei Nächte lang Brot in Honig, dann laß es einen Tag in der Sonne trocknen, backe es ein oder zwei Stunden im Ofen und verziere es mit einem Häubchen süßer Sahne! Hier, nimm!« Herodes ging mit gutem Beispiel voran und schlang im Nu einen mächtigen Happen des Desserts hinunter.
    Fast stöhnte der Legat, so sehr fühlte er sich hin- und hergerissen zwischen Atemnot und lockender Versuchung; doch er tat es Herodes nach, indem er Wein dazu schlürfte, um diesen überflüssigen Genüssen den Weg die Kehle hinab zu erleichtern.
    »Der Palast ist ein einziges Nest von Spionen. Jeder, ob Barbier, Gärtner, Koch, Lieferant oder Amme, alle machen sie Geschäfte mit Neuigkeiten, betteln um die eine oder andere Gunst, erpressen irgendwelche Versprechungen, um zu erfahren, was ich mache oder plane. Denkst du etwa, ich wüßte das nicht? Nein, ich schicke sie auf falsche Fährten, und dann lasse ich sie sich gegenseitig zerreißen. Ah, da sind die Tänzerinnen! Ich nehme an, du hast noch nie unsere Tänzerinnen gesehen?«
    Der Reihe nach erschienen sieben junge Mädchen. Sie waren, abgesehen von kleinen Paillettenspitzen auf der Scham, vollkommen nackt unter hauchfeinen Gazeschleiern. Ihre zarten, mit Henna rot gefärbten Zehen schienen den Marmorboden zu liebkosen. Tamburinschläge begleiteten ihre Schritte, während sie sich vor Herodes drehten und dabei die Geschmeidigkeit ihrer jugendlichen Körper zur Geltung brachten, deren verführerische Taille dem Bewunderer schmerzhaft bewußt machte, daß diese verlockenden Rundungen konkrete Wirklichkeit waren. Plötzlich hoben sie die Arme, und mit ihnen richteten sich ihre amarantrot gemalten Brüste auf; sie wirbelten ihre Handgelenke umher, und unzählige kleine Silberglöckchen, die an ihren breiten Armreifen hingen, schwirrten lauter und lauter, bis die Zimbeln des Orchesters einfielen und die Flöten eine Melodie über fünf Noten modulierten. Da stampften die Tänzerinnen mit den Fersen auf den Boden und begannen, sich gleichmäßig und sehr langsam in den Hüften zu wiegen. Die Gespräche waren versiegt. Römer und Höflinge, ob vom Pontus, aus Medien oder Zypern, alle sahen mit verkniffenen Augen zu, da ihnen die Dämpfe des Alkohols und der Gewürze nun das Innerste ihrer Gefühle aufwühlten.
    »Sind das jüdische Mädchen?« fragte der Legat mit trockenem Mund.
    »Nein«, erwiderte Herodes obenhin, »nur Phönizierinnen und Syrierinnen.«
    Die Mädchen drehten sich immer schneller. Dabei tanzten ihre kleinen Brüste, und sie öffneten ihre Lippen, um nach Luft zu schnappen. Dem Legaten entrang sich ein tiefer Seufzer.
    »Du kannst dir«, meinte Herodes und sah ihn aus mittlerweile durch rötliche

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