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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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kaum ein junger Mann, und doch hast du die Leute beeindruckt. Du hast Kraft ausgestrahlt. Sie ist gewachsen, das habe ich gefühlt, als du in meiner Tür standest. Und verzeih, wenn ich dir das so sage, diese Kraft gehört dir nicht, sie gehört uns allen, weil du einer von uns bist, wie der Baum zum Wald gehört... Verstehst du mich jetzt?« Und als sei es nicht für andere Ohren bestimmt, fügte Elias leise hinzu: »Es kann nicht mehr so weitergehen... Wir brauchen einen Messias!«
    »Einen Messias!« wiederholte Jesus überrascht.
    »Ja, einen Messias! Warum auch nicht? Wer kann schon sagen, ob nicht du derjenige bist?«
    »Wir dürfen uns nicht zu solchen Dingen versteigen«, antwortete Jesus und leerte sein Glas.
    »Gehörst du denn nicht dem Stamme Davids an?«
    »Ich bin müde, ich möchte schlafen«, erwiderte Jesus.
     
    In dieser Nacht schlief er sehr unruhig.
    Am nächsten Morgen brachten sie ihm seine frisch gewaschenen Kleider und ein neues Paar Sandalen, da die seinen durchgelaufen waren.
    »Du hast einen langen Weg vor dir«, erklärte Elias, um einen ungezwungenen Ton bemüht. »Wohin willst du gehen?«
    Ja, wohin eigentlich? Er hatte den roten Faden verloren. Zunächst einmal würde er versuchen, Jokanaan zu finden. Sicher war er irgendwo in Samarien. Was er da wohl trieb?
    Nach all dem Trubel und dem herzlichen Abschied bei seinem Aufbruch war es Jesus nun recht lieb, wieder allein zu sein. Er war froh, nicht mehr hie und da haltmachen zu müssen, um sich ein paar Münzen und ein karges Mahl zu verdienen. Während seiner Reisen hatte er genügend Geld gespart, um allein bleiben zu können, wenn ihm danach war.
    Demnach gibt es also doch einige Juden, die unzufrieden sind, dachte er bei sich, während er Galiläa durchwanderte. Der Grund ihrer Enttäuschung aber war ihm unklar. War es die Herrschaft der Römer? Dagegen konnte man nichts tun. Die Korruptheit des Klerus? Auf den ersten Blick gab es daran auch nichts zu rütteln. Man konnte nicht einfach von einer Stunde auf die andere einen Klerus ändern, der sich wohl oder übel gezwungen sah, sich mit Herodes Antipas und Rom gut zu stellen. Einen Messias erwarteten sie also. Welch naive Hoffnung! Aus dem Nichts aufgetaucht, sollte dieser als Messias Aarons und Israels in seinem göttlichen und königlichen Glanz die Probleme lösen, die die Juden allein nicht hatten bewältigen können. Noch dazu waren sie bereit, in jedem x-beliebigen, in ihm beispielsweise, den Messias zu sehen! Seine Reisen hatten ihn gelehrt, daß es kein Land gab, in dem die Erlöser auf so großes Echo stießen wie in Palästina. Da war Dositheus, Apollonios und noch ein anderer, der sich Simon nannte und dem er noch nicht begegnet war... Weder auf Zypern noch in Baktrien, und auch nicht in Alexandria war er einem Messias begegnet. Gewiß, Apollonios lehrte nicht in Palästina, dafür aber in einer Stadt, in der mehr Juden lebten als in Jerusalem: in Antiochia. Keine Juden, kein Messias!
    Außerdem ärgerte es ihn, daß allgemein angenommen wurde, der Messias werde nur für die Juden kommen. Und die anderen? Die Parther, Bithyner, Zilizer und Syrier? Existierten die etwa nicht? Und darüber hinaus, die Hyperboräer, die Gallier, Nabatäer, Gerrhäer, Osker, Galater, Keltiberer, Illyrer, Armenier, Kyrener, Mösier, Dalmater und Noriker? Waren die etwa vom göttlichen Licht erleuchtet, so daß sie keines Messias’ bedurften? Oder waren sie gar Untermenschen? Sollten sie vielleicht ohne einen Messias auskommen müssen, weil sie keine Vorstellung von ihm hatten?
    Eines jedenfalls war klar: Die Juden erwarteten nicht einmal mehr einen Propheten. Nein, diesmal mußte es ein direkter Bote Gottes sein, der ihnen gesandt werden sollte. Ein Botschafter, der mit einem Schlag das Ende der Welt bringen würde! Leicht machen sie es sich, dachte er, man weiß nicht mehr weiter, also erklärt man alles für ungültig! In dieser Hinsicht destillierten die Essener noch den Likör der jüdischen Ungeduld. Ebenso wie die Juden sich keinen Deut um den Rest der Welt kümmerten, scherten sich die Essener nicht um den Rest der Juden. Sie erwarteten den Weltuntergang für sich ganz alleine! Wie albern! dachte er.
    Nachdem er Archelaus hinter sich gelassen hatte, begann er die Leute auf der Straße zu fragen, ob sie nicht vielleicht von einem Eremiten namens Jokanaan gehört hatten. Man verwies ihn an einen Heilkundigen, einen Bauern und an einen Rabbiner, die alle ebenfalls den Namen Jokanaan trugen.

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