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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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anderen Olymp, das heißt zu einer Taverne verschaffte, die zugleich auch Freudenhaus war und in der man sich in fröhlicher Gesellschaft mit lärmenden Göttern und Hurengöttinnen befand.
    Die Juden hingegen... Wieder ergoß sich ein Schwall Salzwasser über ihn, und er schlitterte übers Deck, bis das Seil um seinen Bauch sich straffte. Er versuchte hustend wieder zu Atem zu kommen. Die Juden, ja, ihnen wäre es beinahe gelungen, die Angst zu bezwingen, allerdings auch nur beinahe. Fast hätten sie ihren Gott geliebt. Doch wie all die anderen, die nur mit Hilfe von Geisterbeschwörungen, Opfergaben und Verwünschungen zu überleben wußten — wie vielerlei Beruhigungspillen es für furchtsame Gemüter doch gab! — , waren auch sie schließlich der Angst erlegen. Jahwe — Er hätte ein Vater sein können, war aber nur mehr ein Aufpasser, der sich viel zu sehr dafür interessierte, was Seine Geschöpfe auf Erden anstellten. Seine Strafen und Belohnungen waren, zumindest in der Darstellung der Heiligen Bücher, immer sehr irdischer Natur. Wenn Er mit Seinem Volk unzufrieden war, zerstörte Er Seine Städte und Herden, und wenn Sein Volk Ihn zufriedenstellte, baute Er dieselben Städte wieder auf und schenkte ihm reiche Ernten und fette Herden. Er existierte also nur in dem Maße, als sich Seine Launen in der materiellen Welt niederschlugen. Gefährlich! Allzuoft kamen Unheil und Krankheiten vor, die nichts mit göttlicher Absicht zu tun hatten. Was sollte man denn davon halten, daß es unschuldige, aber kranke Kinder und reiche, vor Gesundheit strotzende Halunken gab? Und was war dann mit Herodes dem Großen, der friedlich in seinem Bett entschlafen war, nachdem er so viele Unschuldige hatte ermorden lassen? Und die ganze Zeit über glaubten die Juden immer noch, daß ein kleiner Verstoß gegen die Regeln des Sabbat ihrem Haus den Ruin brachte... Plötzlich rissen die Wolken ein wenig auf und gaben den Blick auf einen Fetzen grünlichen Himmels frei. Der Wind blies immer noch stark, doch die Wellen beruhigten sich zusehends. Eine Stunde später konnten sich die Ruderer des dritten Decks wieder an ihre Arbeit machen. Sonne und Wind trockneten Brücke und Kleider. Trotz des Durcheinanders, das der gebrochene Mast und der Wirrwarr verschlungener Taue auf der Brücke angerichtet hatten, gelang es dem Kapitän, das Vorsegel setzen zu lassen. Im goldenen Licht der untergehenden Sonne tauchte am Horizont die phönizische Küste auf. Gegen Morgen würden sie den Hafen von Ptolemais erreichen. Jesus löste das Seil, das ihn mit dem Maststumpf verband, und stellte sich gegen den Wind, um seine Kleider und Haare trocknen zu lassen. Während seine Kleider im Wind flatterten, erinnerte er sich an eine Unterhaltung mit einem ägyptischen Priester in der so gut wie verlassenen Stadt Heliopolis, unweit des Nils. Es war ein sehr alter Priester gewesen, einer der letzten, die dem Kult des Gottes Re treu geblieben waren, ein trauriger, weiser und verständnisvoller Mann. Warum war, vor allem seit der Ankunft der Römer, die ägyptische Religion dem Verfall geweiht, und warum nur hatte niemand versucht, ihr zu neuem Leben zu verhelfen?
    »Auch die Götter sterben, mein Sohn«, hatte der Priester gesagt, »oder zumindest sterben sie in uns. Wenn ihr Auftrag hier auf Erden erfüllt ist, kehren sie wieder in ihre himmlischen Gefilde zurück. Vor Jahrhunderten haben Priester meines Glaubens von der Nordgalerie der Cheopspyramide aus beobachtet, wie die Seele des Pharao zum Stern Thuban aufstieg. Heute beobachtet das niemand mehr. Keiner kümmert sich noch darum, ob diese große Seele den Himmelspalast des Osiris erreicht hat, weil fast niemand mehr an Osiris glaubt. Da die großen Geheimnisse gleichermaßen selbstverständlich wie unaussprechlich sind, hat es auch keiner je gesagt, aber in Wahrheit schaffen wir Sterblichen die Unsterblichen. Versteh mich nicht falsch, sie sind nicht die Produkte unserer Phantasie. Sie sind ebensosehr Wirklichkeit wie wir, die wir ihre Geschöpfe sind, weil wir genausowenig ohne sie leben können, wie sie ohne uns einen Grund zu existieren hätten. Sie sind der Ausdruck unserer Lebenskraft — Ka«, sagte er andächtig, »weil es kein lebendes Wesen gibt, nicht einmal die Wüstenspringmaus, das nicht durch seine Existenz, und hätte sie auch nur wenige Wochen gedauert, seinen Triumph über den Tod und somit die Existenz einer widerstreitenden Macht, des Gottes der Wüstenspringmäuse zum Beispiel,

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