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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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sind gut«, antwortete er. »Es gibt nur eine äußerst vage Vorstellung vom Messias. Was ist ein Messias? Ein Mann, der die königliche Salbung erhalten hat. Wer erhält eine solche Salbung? Die Könige und in anderer, niedrigerer Form, die Hohenpriester. Nun, ich bezweifle, daß dieser Jesus so verrückt ist, einen der beiden Titel zu beanspruchen. Wenn einer seiner Gefolgsleute die Bezeichnung Messias wieder verwenden sollte, empfehle ich dir, ihn zurechtzuweisen und ihn zu mahnen, seine Zunge zu hüten, sonst könnte er von der Tempelpolizei wegen aufrührerischer Reden, sein Meister aber wegen Betrugs verhaftet werden.«
    »Aber gib dich der Sache gegenüber überlegen!« fügte Gedalja hinzu. »Zeig dich nicht besorgt!«
    »Und die Wunder?« fragte Perez.
    »Widerlege sie, und gib zu verstehen, daß Jesus ein Samariter ist und daß es in Samaria von Magiern wimmelt!« Hiermit erhob sich Hannas, um zu zeigen, daß die Audienz beendet sei. Perez küßte die Hand des Hohenpriesters und umarmte Gedalja, ehe er sich wortreich verabschiedete.
    Als sie allein waren, blickten Hannas und Gedalja sich an. »Wie dem auch sei«, meinte Hannas, »das Ganze ist ärgerlich. Wenn dieser Jesus weiter behauptet oder andere behaupten läßt, er sei der Messias, werden wir gut daran tun, ihn als Usurpator festzunehmen.«
    »Lassen wir lieber Jokanaan festnehmen«, meinte Gedalja. »Er ist die Quelle der Gerüchte. Sobald man ihn ausschaltet, wird Jesus praktisch ohne Stimme sein, es sei denn, er besitzt die Frechheit, selber zu behaupten, er sei der Messias.«
    »Laß mich darüber nachdenken«, erwiderte Hannas. »Ich frage mich, ob es nicht klüger wäre, den Gerüchten einige Zeit freien Lauf zu lassen. Dann wäre es leichter, beide Männer verhaften zu lassen.« Er stützte sich auf Gedaljas Arm, um aus seinem Sessel aufzustehen, und murmelte: »Der Messias! Wirklich! Ich möchte wissen, wo die Leute derart verquere Ideen herhaben!«
     

VI.
     
    Noch mehr beunruhigte Rabbiner und ein Wunder in Kana
     
    Der Rabbi von Änon war nicht weniger beunruhigt als seine Kollegen von En-Gannim und von Nain. Und seine Gründe waren noch gewichtiger: Seit Jokanaan sich am Rande der Stadt niedergelassen hatte — es war jetzt ein paar Wochen her taten alle so, als wäre dieser merkwürdige Eremit, den man den Täufer nannte, das wahre Oberhaupt des samaritischen Nestes am linken Ufer des Jordans. Die Autorität des Rabbiners war völlig untergraben, zumal seine Söhne sich von den Händen dieses Mannes hatten taufen lassen; als sie am Abend heimgekommen waren, hatte der selige Ausdruck auf ihren Gesichtern ihren Vater sprachlos gemacht. Der Rabbi hatte sich Jokanaan selber angehört und sogar versucht, sich mit ihm zu unterhalten, aber er war außerstande gewesen, die rätselhaften Erklärungen des Täufers zu erfassen. So hatte Jokanaan zum Beispiel verkündet, daß sich die Welt ihrem Ende nähere, aber der Rabbi hatte keinen Sinn in dieser Prophezeiung finden können. Er stammte aus dem Bauernstand und besaß einen derben, gesunden Menschenverstand. Er hatte immer gedacht, daß der Schöpfer nichts ohne Grund tue, und sah keinen Anlaß zu einer vorsätzlichen Zerstörung. Der Messias, von dem Jokanaan sprach und der gekommen sein sollte — wo und wann? fragte sich der Rabbi — , schien kein echter König zu sein. Soweit der Rabbi die Worte des Täufers deuten konnte, war dieser Messias ein Herold Gottes und damit beauftragt, das Ende der Welt zu verkünden. Und genau das war für den Rabbi der Haken: Wenn der Herr wirklich das Ende der Welt im Auge hatte, warum sollte Er dann einen König ernennen, bevor Er den Vorhang fallen ließ?
    Eigentlich war der Rabbi enttäuscht, denn er hatte nicht einmal Grund, sich zu beklagen. Seine Synagoge war noch niemals so reich und seine Schäfchen noch nie so fromm gewesen, hatten doch die Predigten des Täufers den Glauben der Menschen in der Gegend zu bemerkenswerten Ausmaßen angespomt. Der Rabbi hatte sogar genug Geld zusammengebracht, um das Dach der Synagoge reparieren zu lassen. Und trotzdem fühlte er sich zum erstenmal als Fremder in seinem Land. Sein einfacher Glaube lieferte ihm keinen Schlüssel, um das Spektakel um ihn herum zu begreifen. Schließlich hoffte er, daß die ganze Sache mit dem Ende des Sommers aufhören würde. Diese Hoffnung dauerte ungefähr zwei Wochen, bis zwei Ereignisse die Stimmung Isaaks — das war der Name des Rabbi — , änderten.
    Eines Abends kehrten seine

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