Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
den Tempel von Jerusalem zu seinem eigenen Ruhm nicht zu Ehren von Salomos Größe neu erbaut hat und der an schrecklichen Geschwüren starb, weil dieser König, sage ich, einen Frevel begangen hat: Er hat seinem Bruder Philippus die Frau, Herodias, gestohlen. Und er hat sie geheiratet, und diese Frau trägt in sich das Sperma zweier Männer, eine Sünde gegen das Gesetz. Und das wollen der Mann und die Frau sein, die Galiläa regieren, das Schicksal von Zehntausenden von Juden regieren, und der Hohepriester in Jerusalem und die Priester und Leviten des Tempels sprechen ihn von diesem Frevel frei und verschließen die Augen vor einer Sünde, die eigentlich mit der Steinigung bestraft werden müßte! Ich frage euch alle: Ist das das Beispiel, das der Herr eines Landes geben muß? Jeder Mann könnte morgen also die Frau seines Bruders nehmen und sie schänden, und wenn man es ihm vorwerfen würde, könnte er antworten, daß er es tun dürfe, da es der Tetrarch ja auch tue.«
    Ein Gemurmel erhob sich.
    »Ich sage euch allen, erzählt mir nicht, daß wir in Samarien sind und daß das, was in anderen Provinzen vorgeht, uns nichts angeht. Wir sind alle Juden, und morgen kann Herodes Antipas aufgrund einer Laune der Römer unser aller König werden. In diesem Fall werden wir einen blutschänderischen König auf dem Throne Davids haben und eine Königin, die ihren Namen ebensowenig verdient wie jene Frauen, deren Türschwelle Väter und Söhne, die den Herrn ehren, nicht einmal anzusehen wagen. Und ich nehme den Himmel zum Zeugen, und ich rufe Herodes an und fordere ihn auf, diese Frau wegzuschicken, damit sie für den Rest des Lebens bereue, und ich sage ihm auch: Herodes, weine bittere Tränen über deine Verirrungen, sonst ähnelst du einem verfaulten Fisch, und deine Pest wird das ganze Land vergiften!«
    Isaak war aufgewühlt von der heftigen Anklage und auch von der Beredsamkeit dieses hageren Mannes, den man den Täufer nannte. Diese Sünden meinte er also! Der Rabbi verspürte nicht mehr den Wunsch, Herodes zu verteidigen oder zu behaupten, daß dessen Ehe ihn nichts angehe. Er mußte einfach an jene angemalte Frau denken, die in sich das Sperma zweier Männer erhitzte, und er war empört, wie es seine Söhne gewesen waren. Wie sie empfand auch er die Ehe des Herodes als Bedrohung seiner Männlichkeit. Immer noch in Gedanken versunken, hob er die Augen und entdeckte die beiden in der Menge. Väterliche Fürsorge trieb ihn dazu, sie weit von diesem Ort zu führen, an dem man so kühn den Skandal auf höchster Ebene anprangerte. Als er in ihrer Nähe war, unterhielten sie sich gerade mit Apollonios. Isaak packte den älteren am Arm, aber der junge weigerte sich mitzukommen, er packte den anderen, doch der weigerte sich ebenfalls. Isaak mußte also das Gespräch mit anhören.
    »Die alten Götter sind tot«, sagte Apollonios. »Es kann sein, daß sie wahre Götter waren und besser, als die Juden glauben wollen, aber sie sind tot. Vielleicht sind sie tot, weil sie nationale Götter waren. Denn wir wissen jetzt, daß das Göttliche nicht zwischen die Grenzen eines Landes eingesperrt werden kann. Auch eure Religion wurde eingezäunt und ist zu eng mit der Macht, mit Königen und Hohenpriestern, mit Bauwerken verbunden... Der Schöpfer der Welt ist universell. Er muß sowohl der Gott der Kappadokier und der Kreter als auch der der Juden und Ägypter sein... Ich wußte all das, als ich in Alexandria war. Dann bin ich nach Palästina gekommen, weil ich von Jokanaan gehört habe als von einem tugendhaften Mann. Aber was sehe ich? Euer Gott ist noch viel provinzieller geworden als früher. Er war der Gott aller Juden, und jetzt hat Samarien eine andere Religion als Judäa... Ihr zwei jungen Männer solltet im Osten und im Westen die Worte Jokanaans verbreiten, wie ich es selber tun werde, obwohl ich nicht einer der Euren bin...«
    »Habt ihr genau verstanden, was Jokanaan gesagt hat?« unterbrach ihn Isaak und wandte sich an ihn. »Du bist Grieche, was kümmert dich eine Sache der Juden? Denn es ist eine Angelegenheit der Juden, ja sogar nur einiger Juden, dieses schlechte Benehmen des Herrschers von Galiläa, und eine Angelegenheit der Juden ist auch die Ankunft des Messias. Was hältst du uns Reden über den Tod der Götter? Unser Gott ist jedenfalls nicht tot, und Er möge deine blasphemischen Worte verzeihen! Was säuselst du uns von einem universellen Gott, uns, die wir von Rom verfolgt werden, wo unser Ritus verboten ist?

Weitere Kostenlose Bücher