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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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dem Hohenpriester über Weideland zu reden!«
    Ein zweiter Levit erschien. Perez hob die Stimme und erklärte, er habe die Reise von Nain in einem Stück gemacht, weil sein Anliegen von höchster Wichtigkeit sei.
    Eine halbe Stunde später wurde er bei Hannas vorgelassen. Der Hohepriester schien in schlechter Verfassung zu sein. Er war weit über Sechzig, auf seine Brust hing ein grauer Bart herab, den man offenbar mit dem Brenneisen gekräuselt hatte; er runzelte die Stirn. Sein Gesichtsausdruck verriet eindeutig, daß Perez gut daran tat, einen wichtigen Grund zu haben, wenn er die geheiligte Ruhe unterbrach.
    Perez spürte das und mobilisierte seine ganze Beredsamkeit: »Herr«, sagte er, »es herrscht Aufregung in Galiläa. Ein Mann namens Jesus, der behauptet, er sei der Messias, und Wunder vollbringt, fasziniert die Bevölkerung. Überall, wo er hingeht, jubeln die Massen ihm zu. Vor fünf Tagen hielt er den Leuten von Nain eine Rede von der Treppe der Synagoge herab. Ich habe versucht, ihn zu vertreiben, aber er hat geantwortet, die Synagoge gehöre mir nicht.«
    »Sicher noch so ein Magier«, erwiderte Hannas. »Was für Wunder vollbringt er denn?«
    »Ich habe keines gesehen, aber man erzählt sich, er habe einen Toten zum Leben erweckt und in En-Gannim ein krankes Mädchen geheilt.«
    »Das erinnert mich an etwas«, murmelte Hannas, dessen Interesse endlich geweckt schien. »Und er sagt, er sei der Messias?«
    »Ich habe nicht gehört, daß er es behauptet hat, aber ich kenne die Quelle des Gerüchts. Es sind die Predigten eines Einsiedlers namens Jokanaan, der in der Nähe von Änon einen seltsamen Ritus vollzieht. Dieser Jokanaan hat am Jordan gepredigt, daß jener Jesus der Messias und das Reich Gottes nahe sei.«
    Hannas betätigte eine Glocke; der erste Levit erschien, und der Hohepriester befahl ihm, einen gewissen Gedalja rufen zu lassen, der, wie er zu Perez sagte, schon Auskünfte über jenen Jesus habe. Kurz darauf kam Gedalja: stämmig, gebeugt und grauhaarig.
    »Unser Gast ist Perez, der Rabbi von Nain«, erläuterte Hannas. Die beiden Männer begrüßten sich. Perez bewunderte die Quasten am Mantel des anderen, große, gelbe Seidenquasten, neben denen die seinen lächerlich aussahen.
    »Unser Bruder Perez berichtet, daß ein Mann namens Jesus in Galiläa Unruhe stiftet, wo man ihm Wunder andichtet wie zum Beispiel die Wiedererweckung eines Toten. Man stellt ihn als Messias hin.« Gedalja kratzte sich an der Stirn und setzte sich. »Ja, wir haben schon von ihm gehört, wie ich ja dem höchsten aller Priester schon berichtet habe. Er hat vor einem Monat in Samaria Anlaß zu eigenartigen Gerüchten gegeben. Aber ich glaube, daß er sich nicht als Messias ausgibt. Ein anderer verbreitet diese Legende, ein ehemaliger Schüler der Essener namens Jokanaan.«
    Man brachte frische geschälte Mandeln und Tamarindensaft in Silberkelchen.
    »Unser Bruder Perez scheint beunruhigt über das Ansehen, das dieser Mann bei den Massen besitzt und das so groß ist, daß er sich zum Beispiel geweigert hat, die Synagogentreppe von Nain zu verlassen. Nun«, meinte Hannas und wandte sich an Perez, »du hattest recht, daß du gekommen bist, um uns zu warnen. Wenn sich dieses Unwesen auf andere Städte ausbreitet, dann gibt es Grund zur Beunruhigung.«
    »Ich sehe nicht, daß das passieren wird«, bemerkte Gedalja. »In einigen Wochen oder Monaten werden alle diesen Jesus vergessen haben. Vor ein paar Jahren haben andere Magier ähnlichen Aufruhr verursacht. Erinnert ihr euch an Dositheus? Und an Menander? Und an Apollonios von Tyana?«
    »Ich möchte untertänigst daran erinnern, daß, was diese Männer angeht, der Aufruhr erst aufhörte, als Dositheus und Menander starben und als Apollonios nach Osten weiterzog. Solange sie in den Provinzen umherzogen, herrschte Aufregung, und zahlreiche Unwissende glaubten, sie seien die Reinkamation des Propheten Elias. Auch von ihnen behauptete man, sie seien Erlöser. Und dann ist da noch einer: Simon der Magier, der ebenfalls in Samarien predigt und eine große Zuhörerschaft hat. Viele Leute kommen, sogar aus Peräa, aus Trachonitis und aus Syrien, um ihn zu hören. Eine der Folgen dieser Aufregung ist, daß manche Bürger in Nain ihre Abgaben an die Synagoge verringert haben, weil sie behaupten, daß das Haus Gottes nicht das eines Geldleihers sei...«
    Gedalja nickte mit dem Kopf wie ein Arzt, der einem Patienten zuhört. »Glaube mir«, meinte er mit Nachdruck, »sobald er in

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