Ein Mensch namens Jesus
blonden Haare der Gallier und der Skythen und Augen so blau wie Türkise haben.«
Wieder Unruhe.
»Ich tue, was ich kann«, meinte der Rabbi. »Mir stehen freilich keine Wachen wie die Tempelpolizei in Jerusalem zur Verfügung. Wie dem auch sei, ich frage mich, ob ihr Streit mit den Römern sucht. Vielleicht, wo ihr doch einem Mann zuhört, der sich für einen König ausgibt, obwohl wir einen König haben, der mit den Römern verbündet ist. Vielleicht wollt ihr Blut fließen sehen. Vielleicht wollt ihr wie vor einigen Jahren sehen, wie zu Dutzenden Kreuze errichtet werden, für Juden. Ich will nur eines, eine Antwort von diesem Mann.« Und er wandte sich an Jesus. »Warum läßt du zu, daß die Leute sagen, du seist der Messias?«
»Woher weißt du, daß das Dach deines Hauses morgen nicht von einem Sturm zerstört wird?« fragte Jesus.
»Was heißt das?« gab der Rabbi zurück. »Seht ihr nicht, daß dieser Mann ein Betrüger ist? Holt ihn sofort von der Kanzel herunter!« Keiner rührte sich.
Doch, einer: Jakobus trat vor und wandte sich an die Menge: »Ich bin nur ein Fischer und Sohn eines Fischers dieser Stadt. Aber ich weiß genug, um euch zu sagen, daß wir zu lange ohne Hoffnung waren. Das Wort Gottes hat man uns aus den Büchern gelesen, nicht nach unserem Herzen. Wir sind heute in das Haus Gottes gekommen, weil uns Hoffnung lenkt. Die, die diese Hoffnung ersticken wollen, sollen öffentlich zugeben, daß sie Angst vor ihr haben.«
»Der junge Mann hat recht«, sagte ein Mann. »Ja, Rabbi, woher weißt du, daß das Dach deines Hauses nicht morgen vom Sturm zerstört wird? Du hast so getan, als würdest du die Frage dieses Jesus nicht verstehen, und doch habe ich, der ich nicht gebildet bin, sie verstanden. Woher weißt du, daß es nicht morgen einen anderen Hohenpriester gibt? Und weißt du, wer es sein wird? Nein. Ich werde Jesus nicht dazu zwingen, von der Kanzel herabzusteigen.«
Aufruhr. »Nein, ich auch nicht.« Dann: »Er soll reden, er hat nichts Böses gesagt.« Eine Frau: »Nicht er sät Unruhe. Wir haben bloß einen Psalm mit ihm rezitiert, und du hast ihn unterbrochen. Was ist Böses daran, einen Psalm zu rezitieren? Seine Worte tun uns gut, deine aber drücken nur Bitterkeit und Zorn aus.«
»Das stimmt, Rabbi«, rief plötzlich Johannes. »Warum bist du zornig? Solltest du Angst haben, daß Jesus dir ein Bruchstück deines Ansehens nimmt?«
»Wie sollte er das anstellen?« erwiderte der Rabbi, der sich nur widerwillig dazu herabließ, mit einem Fischer und noch dazu einem Jüngling zu diskutieren.
»Stell dir die Frage selber!« antwortet Johannes mit heller Stimme. »Fahren wir mit dem Psalm fort!« ergriff Jesus wieder das Wort. Und er rezitierte die Verse mit lauterer Stimme als zuvor, zerhackte rhythmisch die Worte, als er zu einem bestimmten Abschnitt kam: »Er sagt von mir / >Ich habe meinen König / Auf dem heiligen Berg Zions gekrönt / Und ich werde die Worte des Herrn wiederholen / >Du bist mein Sohn< / Sagt Er / >An diesem Tag werde ich dein Vater / Frag mich / Was du willst...<«
Der Rabbi hörte einen Moment zu, nickte dann drohend mit dem Kopf und ging. Jesus stieg nach dem letzten Vers von der Kanzel. »Rabbi«, fragte ihn ein Mann, »ist unsere Freiheit nahe?« Andere fragten, ob er in Kafarnaum bleibe, ob er andere Freiwillige brauche, ob er Soldaten brauche.
»Ich brauche tapfere Männer«, erwiderte er, »aber nicht, um das Schwert oder eine Keule zu erheben. Ich brauche sie, um das Wort des Herrn zu verbreiten.«
Sie drängten sich um ihn, so daß er fast nicht mehr atmen konnte. Er beruhigte sie und schob sie von sich, so daß er sie der Reihe nach prüfen konnte.
»Du!« sagte er zu einem dunklen kleinen Mann, der die Lederschürze des Zolleinnehmers trug. »Wie heißt du?«
»Herr, ich bin nur ein Zolleinnehmer.« Er schien unter der allgemeinen Abneigung zu leiden.
»Also wird es einen Zolleinnehmer weniger auf dem Rücken der Armen geben. Noch einmal: Wie heißt du?«
»Matthäus.«
»Matthäus, stell dich neben mich! Und du?« fragte er einen hochgewachsenen jungen Mann mit sanftern Gesicht, großen Augen und leichtern Bartflaum.
»Bartolomäus.«
»Was bist du von Beruf?«
»Ich bin Tagelöhner.«
Thomas verzog das Gesicht, und Jesus bemerkte es.
»Du arbeitest auf dem Feld?« fragte Jesus.
»Auf dem Feld und in den Obstgärten. Ich habe auch bei einem Metzger gearbeitet und im Hafen Lasten getragen.«
»Willst du dich mir
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