Ein Mensch namens Jesus
anschließen?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil zum erstenmal, seit ich geboren bin, das Wort Gottes, so wie du es verkündest, nicht ein Befehl ist, sich zu fügen und nachzugeben.« Er schloß die Augen und sagte mit seltsam klingender Stimme: »Freiheit.«
»Bartolomäus, stell dich neben mich!«
Bartolomäus tat die drei Schritte, die ihn von seinem bisherigen Leben trennten, und schloß wieder die Augen. Jesus sah immer noch prüfend in die Gesichter. Er bemerkte eines, das knochig war; der große Schädel war mit feiner brauner Haut überspannt. Es war das aufrichtige Gesicht eines Soldaten, der unter dem Harnisch gealtert war, und dahinter blickte ein Kind hervor.
Die Augen hielten Jesus’ Blick stand, und ohne daß man ihn gefragt hätte, sagte der Mann: »Mein Name ist Simon. Aber man nennt mich Simon den Zeloten«, fügte er hinzu, »weil ich das Schwert gegen unsere Feinde erhoben habe.«
»Wie viele hast du getötet?«
»Ich glaube, es waren zwei von fünf, vor einigen Wochen. Und davor ein weiterer.«
»Kennst du die Geschichte von dem Kind, das das Meer mit einem Schöpflöffel leeren wollte?«
»Jetzt bin ich hier«, antwortete Simon nach einer Weile.
»Die Festungen werden nicht mit Schwertern wieder aufgebaut, Simon«, sagte Jesus. »Denke daran, wenn deine Hand den Griff deines Schwertes sucht! Wir müssen Israel zu einem Haus Gottes umbauen. Dann werden seine Mauern so hoch sein, daß keine Festung ihm gleichkommt. Willst du einer von uns sein?«
»Ja«, antwortete Simon.
»Stell dich an meine Seite!«
Jesus fuhr fort mit seiner Prüfung. Er entdeckte einen, der seit einer Weile hoffte, seinem Blick zu begegnen, und es immer noch versuchte. Es war ein Mann, der auf die Dreißig zuging, das Gesicht gebräunt und die Haarmähne von der Sonne ausgebleicht. Als Jesus ihn ansah, öffnete er den Mund.
»Und du?« fragte Jesus.
»Ich heiße Jakobus!« rief der Mann so eifrig, daß Thomas darüber lächelte. »Jakobus, Sohn des Alphäus. Ich bin Fischer.«
»Was bringt dich dazu, zu denken, daß du bei uns glücklicher sein wirst als in der Freiheit auf dem Wasser?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich weiß, wenn ich wieder fischen würde, dächte ich, ich wäre nur zum Fischen gut.«
»Wozu glaubst du, sind die Männer gut, die bei mir sind?«
»Die, die schon bei dir waren, und die, die du gerade erwählt hast, sind sicher tapfere Männer. Denn es sind doch tapfere Männer, die du willst. Ich kann es auch sein.«
»Die römischen Soldaten sind auch tapfer, doch einen römischen Soldaten will ich nicht.«
»Nein, sicher nicht. Du willst einen Soldaten Israels«, sagte Jakobus, der Sohn des Alphäus.
»Ich will gar keinen Soldaten. Ich will Männer, die ein neues Leben wollen. Verstehst du, was ich meine? Ich will keine Männer, die so alt sind wie die Welt.«
»Bin ich alt?« fragte Jakobus, der Sohn des Alphäus. »Oder glaubst du, ich gehöre einer alten Welt an?«
»Nein, vielleicht nicht«, antwortete Jesus nach kurzer Überlegung. Es war Zeit, seine Auswahl zu beenden. Er war verwirrt. So viel Hoffnung ruhte auf ihm, während er noch auf so viele Fragen keine Antwort wußte. Suchten diese Männer nur wieder einen militärischen Führer? Sie waren entflammt von den heroischen Sehnsüchten eines Augenblicks, aber morgen, wenn die Asche kalt war, was würde davon bleiben? Oder hatten sie den Faden ergriffen, den er ihnen hinhielt, um aus der Dunkelheit herauszufinden? Er seufzte und forderte Jakobus, den Sohn des Alphäus, auf, sich den anderen anzuschließen. Er spürte das Gewicht des guten Willens, der sich ihm darbot und den er nicht verachten durfte, wenn er nicht alle beleidigen wollte, die von ihm beseelt waren. Sein Blick wanderte immer noch über die Menge. Da war zum Beispiel ein junger Mann in Johannes’ Alter, der ihn vorwurfsvoll ansah. Als er schließlich sicher war, daß man ihn bemerkt hatte, trat er vor und sagte mit erstickter Stimme: »Ich heiße Thaddäus, Herr.«
»Was bist du?«
»Ich arbeite in dem Gasthaus, das zwei Straßen weiter steht.«
»Und was hast du vorher getan?«
»Ich habe in anderen Gasthäusern der Dekapolis gearbeitet.« Thomas runzelte die Stirn.
»Ich kannte seinen Vater«, mischte sich Matthäus ein.
»Warum sprichst du in der Vergangenheit von seinem Vater?«
»Er ist tot. Er war Zolleinnehmer wie ich. Er ist ermordet worden.«
»Ich weiß, was du denkst«, sagte Thaddäus in einem Ton, der durch seine Schärfe überraschte.
Weitere Kostenlose Bücher