Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
einem angemessen hohen Würdenträger zu tun hatten, ließen sie ihn wissen, daß sie dem König eine freundschaftliche Mitteilung ihres Gebieters Phraates IV., König des Partherreiches, zu überbringen hätten und dazu eine Nachricht von allerhöchster Wichtigkeit. Sie selbst seien drei Hohepriester. Der Kammerherr antwortete beeindruckt, er werde den König umgehend von ihrer Ankunft und dem Grund ihres Besuches unterrichten, und forderte sie auf, einstweilen innerhalb des Palastes zu warten. Entgegen seiner Erwartung stiegen sie jedoch nicht aus dem Sattel; auf ihren Kamelen ritten sie durch das Tor, und im Hof erst riefen sie den Tieren den Befehl zu, sich niederzuknien, was erneut die Aufmerksamkeit der Wachposten fesselte. Die vornehmen Priester saßen nun ab, klopften den Staub von ihren Kleidern und Umhängen, streckten sich und gähnten. Ob sie wohl eintreten und sich etwas gedulden wollten? bat der Kammerherr. Sie sahen einander an, und nach kurzem Zögern kramten sie aus den riesigen Satteltaschen zu beiden Seiten der Kamelhöcker ein ganzes Sammelsurium von Kästchen, Taschen und Pergamentrollen hervor.
    »Man möge anordnen, daß die Kamele getränkt werden«, sagten sie, zum Kammerherrn gewandt. »Einen Eimer für jedes Tier.«
    Der Wunsch wurde quer über den Hof weitergegeben.
    Endlich folgten die drei Besucher dem Kammerherrn, der sie mit einem geübten, raschen Blick taxierte: hochgewachsen, etwa um die Fünfzig und sichtlich gewohnt, daß man ihnen aufs Wort gehorchte. Eigentlich waren es schöne Menschen, mit ihren schwarzen Krausbärten, den dunklen Gesichtern und ihren großen, mit schwarzem Kajal umrandeten Augen. Diese Zarathustra-Abkömmlinge würden dem König sicher gefallen. Doch was mochten sie wohl für eine wichtige Botschaft bringen?
    Während die Kamele ihren Durst stillten, folgten die Besucher ihrem Führer ins Innere des Palastes. Man bot ihnen heißen, mit Zimt gewürzten Wein an, Datteln mit Mandelfüllung und Honigwaffeln. Wenig später erklärte sich Herodes, halb neugierig, halb belustigt, bereit, den Parthern eine Audienz zu gewähren. Wie schon der Legat, schritten auch sie an der farbigen Marmorpracht, den unzähligen Fackeln und dünnen Rauchsäulen aus Sandel- und Zedernholz vorbei. Sie vernahmen Zimbel- und Kithara-Klänge, dazu das von Stimmengemurmel durchmischte Plätschern einiger Springbrunnen, und sie bewunderten die Vielzahl der schwarzen und weißen Sklaven. Dann wurden sie gebeten, vor einer Tür zu warten, die von zwei halbnackten Männern mit gezücktern Schwert und je einem Leoparden an der Leine bewacht wurde. Die Bestien fauchten; die Parther warfen dem Kammerherrn einen strengen Blick zu. Man hörte kurze Befehle, Muskeln strafften sich, und die Leoparden legten sich nieder. Die Tür ging auf, und die Besucher sahen sich auf der Schwelle zu einem großen, mit Mosaiken ausgelegten Saal. Wenige Schritte vor ihnen thronte Herodes, umgeben von seinen Ministern, Höflingen und Eunuchen. Die Hohenpriester verneigten sich würdevoll. Eine Pergamentrolle wurde entfaltet. Phraates IV. ließ seine besten Wünsche für Wohlstand und ein langes Leben überbringen. Herodes nickte zur Antwort, wobei sein hennagefärbter Bart im Licht des frühen Nachmittags rot aufflammte. Ein Ebenholzkästchen wanderte aus den Händen eines Parthers in die des Kammerherrn, der es Herodes vorzeigte: Darinnen lag ein Goldarmreif, in den ein prächtiger, blitzender Smaragd eingelassen war. Ein wundervolles Geschenk! Demnach mußte die Botschaft von Bedeutung sein. Doch weshalb hatte Phraates IV. Priester als Gesandte auserwählt?
    »Auch wir haben dir eine Botschaft zu überbringen, Herodes«, sagte da bereits derjenige Priester, der die Delegation zu leiten schien. Die Parther machten sich mit den Pergamentrollen zu schaffen, die sie auf dem Boden ausbreiteten. Jedermann reckte den Hals, um zu sehen, was sie enthielten: Zeichnungen, Kreise, Dreiecke und geheimnisvolle Zahlen.
    »Dies ist ein bedeutender Augenblick, Herodes. In diesem Jahr ereignet sich etwas, das nur alle zweitausendeinhundertsechsundachtzig Jahre vorkommt, das heißt, in jedem Sternmonat des großen Himmelsjahres, das sechsundzwanzigtausend Sonnenjahre dauert, nur einmal«, erklärte ein Hoherpriester mit lauter, feierlicher Stimme.
    Herodes war aus der Fassung geraten; er wandte sich um zum nächststehenden Höfling, der aber die Augenbrauen noch stärker runzelte als die übrigen, und dies nicht nur, weil er zu

Weitere Kostenlose Bücher