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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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trotz der Hitze und obwohl die reichen Leute längst ihre Sommerquartiere oder Landsitze an der Küste oder auch in Jericho bezogen hatten.
    Zwei Gallier aus der königlichen Garde schlenderten umher. Zu den Feigen und Datteln, die sie verzehrten, tranken sie Tamarindensaft, den ihnen eben ein fahrender Händler verkauft hatte. Ein anderer bot ihnen Rauteblätter zum Kauen an. Doch sie schüttelten, den Rauschmitteln des Orients gegenüber mißtrauisch, nur ablehnend den Kopf, als er ihnen versicherte, um wieviel besser sie dank des Safts die Hitze ertragen würden. Ein Freudenmädchen warf ihnen verstohlene Blicke zu. Ein Pharisäer murmelte wüste Verwünschungen und spuckte auf den Boden. In gleichmäßigem Wechsel ertönte das Wimmern und Seufzen zweier Bettler, die unweit voneinander am Straßenrand saßen; einer der beiden schien blind, und seine Augen waren mit Schuppen verkrustet, der andere war Invalide und hatte gräßlich verkümmerte Beine.
    Und in welchen Sprachen redeten all diese Leute? Das einfache Volk aramäisch, und wer gebildet war, griechisch; die Händler sprachen auch lateinisch; nur die Priester des Tempels unterhielten sich meist auf hebräisch. Doch man hörte auch Phönizisch, Ägyptisch, Parthisch und andere Sprachen oder Dialekte.
    Es schien, als könne das Leben ewig so weitergehen. Doch der Legat hatte da seine Zweifel. Was würde geschehen, wenn Herodes eines Tages starb? Und wie würde dann die Unzufriedenheit der Juden zum Ausdruck kommen? Nur gut, daß wir Römer hier sind, dachte er bei sich.
    Vor seiner Abreise zeigte ihm Herodes noch den weißen Marmortempel, den er Cäsar Augustus zu Ehren nahe der Quellen des Jordan hatte erbauen lassen. Auch wurde er darüber informiert, daß die Boten des Königs den Volkszählungserlaß im ganzen Reich bekanntgemacht hatten, von Cäsarea Philippi bis Masada, von Arimathäa bis Kana, Jericho und Antipatris, bis Agrippium, Chorazin und Magdala. Reich und arm wußten, daß man sich an seinem jeweiligen Geburtsort einzutragen und dem Kaiser das Geld zu zahlen hatte, das dem Kaiser gebührte. Mit Kästchen aus wertvollen Hölzern, Duftwasser, Elfenbein, Edelsteinen, kurz: mit Geschenken überhäuft, kehrte der Legat heim. Doch wie groß auch die Annehmlichkeiten und der Erfolg seiner Mission waren, ein unbestimmtes Gefühl ängstlichen Unbehagens und lauernder Bedrohung konnten ihm all diese Schätze nicht nehmen.
     

III.
     
    Sohn eines Sohnes
     
    »Parther sind das«, flüsterte der syrische Gastwirt seinem Sohn zu, nachdem er drei Gäste in den Hausflügel geleitet hatte, der für besondere Gäste reserviert war. Auch hatte er ihnen eilfertig Dienerschaft geschickt mit Kochgeräten, Weinflaschen und Tonkrügen voll Bier, mit Duftwassem, klarem Brunnenwasser, Tüchern und frischem Obst, ja sogar einen Sklaven zu ihren alleinigen Diensten.
    »Parther...«, wiederholte sein Sohn verträumt, während er die sieben Kamele betrachtete, die im Hof ganze Arme voll Klee fraßen. So genau wußte er nicht, wo dieses Partherreich lag; er war in Judäa geboren.
    »Weit oben im Norden, in Hyrkanien ist das, zwischen unserem Land und Armenien«, erklärte ihm sein Vater.
    »Es sind Fürsten, nicht wahr, Vater?«
    »Nein, Magier. Priester. Sie lesen in den Sternen. Sie haben eine sehr alte Religion, die vor tausend Jahren von Zarathustra begründet worden ist.«
    »Zarathustra...«, wiederholte der Knabe, belustigt über den Namen. »Zarathustra, ja. Er wurde geboren, nachdem seine Mutter Milch getrunken hatte, die vom Himmel herabregnete.«
    »Kommt das öfter vor, daß Milch vom Himmel regnet?« fragte der Knabe.
    Das lärmende Eintreten dreier Bedienter der Parther enthob den Wirt einer Antwort auf diese heikle Frage. In schlechtern Aramäisch verlangten sie nach einer Mahlzeit. Etwas zu essen und Wein, auf dem Wein bestanden sie, obwohl sie den Anschein erweckten, als liege ihr letzter Becher Wein noch nicht allzu lange zurück. Doch war es wirklich Wein gewesen? fragte sich der Syrier. Es fiel ihm ein, daß diese Menschen die Gewohnheit hatten, sich an bestimmten getrockneten Pilzen zu berauschen. Er eilte in die Küche, um den womöglich unter Rauschgifteinfluß stehenden Parthern nur ja nicht zu mißfallen.
    Sein Sohn indessen lief zum Obstgarten hinter jenem Gebäudeteil, in dem die geheimnisvollen Gäste ihr Quartier bezogen hatten. Er schlich sich unter ein offenes Fenster und wagte einen verstohlenen Blick in den Raum. Da waren sie, mit ihren

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