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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Jünglings; was blieb, war einzig ein hohler Schädel. All das war einmal mit Liebe erfüllt gewesen, mit liebender Erwartung. Jokanaan hatte anfänglich nur Jesus geliebt, und diese, das Leben übersteigende Liebe hatte ihn zu Gott geführt. Er hatte Gott durch Jesus geliebt und Jesus im Herrn. Wie Vorder- und Rückseite einer Münze, nur daß diese Münze aus Glas bestand und beide Seiten gleichzeitig sichtbar waren.
    Er stand auf und warf das Rindenstück in den See. Es trieb eine Weile auf den Wellen, dann saugten sich seine ausgedörrten Fasern voll Wasser, und es ging unter. Dort in der Wüste versank Fleisch im Sand, hier versanken Worte im Wasser. Aber die Worte waren friedlich untergegangen. Hatte Jokanaan sich dem Tod mit Frieden im Herzen gestellt? Oder hatten ihn selbst noch in seiner Todesstunde Zweifel gequält? Die Frage bohrte in ihm. Billigte Jokanaan die Botschaft seiner Jünger, er, der sie noch vor seinem Tod als Überbringer dieser schrecklichen Frage gesandt hatte: »Bist du derjenige, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?« Allein bei dem Gedanken an diese Frage, die Zacharias unverblümt gestellt hatte, errötete Jesus. Denn sie bedeutete im Grunde: Bist du der Messias oder ein Betrüger? Hatte ich recht oder unrecht? Sie überhaupt zu stellen kam schon einer Beleidigung gleich — soweit es dies geben konnte, bei der Vertrautheit, die zwischen den beiden Männern bestanden hatte. Und Zacharias’ Verhalten vorhin hatte sie nicht gerade abgeschwächt. Wie schroff hatte er verkündet, daß Jesus der Messias sei, da Jokanaan es so gesagt habe! Mit anderen Worten, er war nur für Jokanaan der Messias, Jokanaan hatte ihn gesalbt, und folglich stand der Mann, der den Erlöser gesalbt hatte, über dem Erlöser selbst! Kurz, Jokanaan war der Gottgesandte, während er, Jesus, nur die Rolle einer Art Stellvertreter spielte. Er atmete tief durch und suchte in anderen Worten Jokanaans Trost: »Ich bin nicht einmal würdig, ihm die Sandalen auszuziehen.« Ja, das hatte er gesagt, aber das war noch in den ersten enthusiastischen Tagen gewesen, als Jesus von seinen Reisen zurückgekehrt war und Jokanaan die Ankunft eines Messias in Glanz und Glorie erwartete. Die Inbrunst der Jünger Jokanaans hatte einen bitteren Beigeschmack bekommen, und wenn Jokanaan auch nicht von seiner Meinung abgekommen war, daß Jesus der Messias sei, so war doch seine kalte, ablehnende Haltung Jesu Jüngern gegenüber bis zum Schluß geblieben. Das bewiesen Zacharias’ Worte: »Jedenfalls werden wir nicht die Manieren deiner Jünger annehmen.« Ja, seine Jünger, die fasteten nicht! Der Vorstellung der anderen nach hätte er ihnen das Gebot auferlegen müssen, jeden ersten und fünften Tag der Woche keine Nahrung zu sich zu nehmen, nach dem Vorbild der Frömmler, der Pharisäer und Jokanaans eigener Jünger! Fasten! Sich jedesmal, bevor man sich zu Tisch setzte, die Hände waschen! Hatte Jokanaan noch immer nicht genug gehabt von den essenischen Riten? Offenbar nicht. Jesus schüttelte den Kopf. Wozu sollte das Fasten gut sein? Sollte es Ausdruck der Reue für begangene Sünden sein, was ja sein eigentlicher Sinn und Zweck war, oder diente es dazu, sich für seine Sünden selbst zu bestrafen? Es war tatsächlich eine Strafe, die sich Juden, Sadduzäer, Pharisäer, Nazarener, Essener, Rabbiner und Schriftgelehrte gleichermaßen auferlegten. All diese Menschen wandten das Vergeltungsrecht auf sich selbst an. Du hast Gott beleidigt, also bezahle dafür, enthalte dich der Nahrung! Du willst Ihm gefallen, nun, so schenke Ihm Nahrung! Zornesröte stieg Jesus ins Gesicht. Für sie war Gott ein Steuereintreiber, der den Ihm zustehenden Essensanteil verlangte! Unerträglich! Als ob irgendjemand Gott einfach zahlen konnte, was Ihm zukam! Daher auch die Schlußfolgerung, daß die Menschen nichts seien außer Sünder, daß sie, wenn sie nicht fasteten und sich die Hände vor dem Essen nicht wuschen, Gott beleidigten und, falls sie sich weigern sollten, sich selbst zu bestrafen, die Rache der Öffentlichkeit auf sich zögen. Das war auch Jokanaans Einstellung gewesen. Aber Gott war kein Steuereintreiber! Und selbst die Zöllner forderten schließlich nur den Zehnten für Cäsar...
    Es wurde in seinen Grübeleien unterbrochen. Eine kleine Männerschar kam auf ihn zugeeilt. »Meister!« riefen sie. Er erkannte sie, alles Leute aus Kafarnaum: Phiabi, der Heringsfässer herstellte, der Zimmermann Saul, Juda und Baba, zwei

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