Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
weiß genug, weder Milch noch Wein waren Seines Altares würdig... Das einzige Opfer, das Ihm dargebracht werden konnte... die Worte verschwammen. Ja, das erforderliche Opfer wäre das des einzigen, zur Unterhandlung mit dem Vater auserwählten Mannes, die Opferung des Mannes, der fähig gewesen war, sich zu Ihm zu erheben, der Ihm so nahe gekommen war, um Sohn genannt zu werden, er selbst, Jesus... Dieses Wissen also war unbewußt in ihm herangereift! Es bedurfte einer Opfergabe, seiner selbst, um den Lauf der Welt zu ändern.
    Er stieß einen Seufzer aus. Wie ein gewaltiger, mit den Strahlen der Morgensonne verschmelzender Silberbarren lag der See Gennesaret vor ihm.
    Wie würde er sich opfern? Oder sollte er womöglich geopfert werden? Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen, als er sich zerstückelt auf einem Altar liegen sah... Und verlassen! Essen würden sie ihn nicht, nein, es stimmte, daß die Bücher den Verzehr von Menschenfleisch verboten... Plötzlich spürte er jemanden in seiner Nähe. Simon Petrus, Thomas und Johannes waren es.
    »Wollt auch ihr mich verlassen?« fragte er müde, ohne sie anzusehen.
    »Wohin sollten wir gehen?« entgegnete Simon Petrus. »Du bist unser Meister, wir haben keinen anderen. Wir verstehen deine Worte nicht, aber vielleicht können wir sie später verstehen.«
    »Die anderen sind fort gegangen«, sagte Jesus.
    »Sie kommen wieder.«
    »Nicht alle«, entgegnete Jesus. »Jedenfalls werden Verräter unter denen sein, die zurückkehren.«
    »Warum?« rief Johannes.
    »Einige glauben, ich hätte sie in die Irre geführt. Sie werden sich rächen wollen.«
    »Ich werde keinen Verrat begehen«, sagte Thomas.
    »Aber du bist doch hier!« erwiderte Johannes, den der Unterton in Thomas’ Stimme stutzig gemacht hatte.
    »Er bleibt nicht mehr lange hier, auch er geht fort«, bemerkte Jesus. »Nicht wahr, Thomas?«
    »Ja«, antwortete der.
    »Du lehnst mich ab.«
    »Das stimmt. Voll und ganz.«
    Eine Weile blickten die vier Männer auf den See hinaus.
    »Ich hatte gehofft, du könntest uns aus dieser Wüste führen«, sagte Thomas, »aus dieser ewigen Wüste der Juden, in der Gott nichts als eine rächende Macht ist.«
    »Du lästerst Gott!« rief Simon Petrus.
    »Heute ist wirklich der Tag der Gotteslästerungen!« gab Thomas zurück. »Kaum äußert man eine abweichende Meinung, so klingt das schon wie eine Verhöhnung in den Ohren gewisser Leute. Aber ich klage niemanden an. Ich will keinen Gott, dem immer noch Opfer dargebracht werden müssen.«
    »Du warst zu oft mit Griechen zusammen«, meinte Simon Petrus. »Du willst einen Gott, der überhaupt keine Rolle in unserem Leben spielt.«
    »Eben weil ich zuviel mit Griechen verkehrte, ertrage ich keine Menschenopfer mehr oder jene Omophagien * , während der die Priester symbolisch Dionysos verschlingen und sein Blut trinken. Ich gehe.«
    »Geh zu deinen Griechen, geh doch!« forderte Johannes ihn auf.
    »O nein, ich habe dir schon gesagt, daß ich die Griechen satt habe. Auch sie verehren einen Gott, der auf den Scheiterhaufen gestiegen ist, um seinen Vater Zeus zu besänftigen... Herakles heißt er.« Jesus wandte sich Thomas zu und sah ihn an. Der Jünger hielt seinem Blick stand.
    »Ich bin kein Jude, und auch Grieche bin ich nicht mehr«, sagte Thomas. »Aber mir scheint, daß ihr viel mehr von Griechen an euch habt, als ihr glaubt. Oder womöglich sind die Griechen auch jüdischer, als sie selbst oder die Juden meinen!
    »Du hast keine Wurzeln«, bemerkte Simon Petrus. »Du spielst nur.«
    »Unsere Vorfahren hatten auch keine Wurzeln«, entgegnete Thomas. Er kehrte ihnen den Rücken zu. Jesus sah ihm nach, wie er davonging, bis nur mehr ein zitternder Schatten am Strand zu erkennen war. Sie kehrten in Simon Petrus’ Haus zurück. Mit finsterem Gesicht bereitete ihnen die Frau des ehemaligen Fischers das Essen.
    »Wir wollen zum Passah-Fest in Jerusalem sein«, sagte Jesus.
    Er hing seinen Gedanken nach. Ein- oder zweimal murmelte er ein paar Worte vor sich hin, und Johannes glaubte, ihn »Dionysos« sagen zu hören.
     

XXI.
     
    Eine Geisel namens Judas
     
    »Können wir denn nichts gegen die Prostituierten unternehmen?« Wie ein Stein schien die Frage durch die lichtdurchflutete Quadernhalle zu fliegen, dem Kommandeur der Tempelpolizei mitten ins Gesicht; er warf den Kopf zurück. Zum erstenmal sprach ein Hoherpriester von Prostitution. Dieser Kaiphas war wirklich noch jung und unerfahren. Sein Schwiegervater hätte sich

Weitere Kostenlose Bücher