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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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den ich dir später ausführlich schildern werde, hat Jesus Kafarnaum verlassen. Die meisten seiner Jünger haben sich von ihm abgekehrt, unter ihnen auch zwei, die für unseren Plan in Frage kommen, Thomas von Didyma und Judas Iskariot. Ersterer scheint Milesier thrakischer Herkunft zu sein, der andere stammt aus Judäa. Anscheinend hat Jesus vor einigen Tagen, nachdem er ein recht fragwürdiges Wunder vollbracht hatte — er soll während eines Sturms über den See Gennesaret gegangen sein — , zu den Einwohnern von Kafarnaum gesprochen und von der Kanzel der Synagoge herab eine unverständliche und gotteslästerliche Rede gehalten. Ich schenke Gerüchten nicht zu großes Gehör, aber ich kann mit einiger Sicherheit behaupten, daß er mehrmals wiederholt hat, er sei das Brot der Ewigkeit, und alle Menschen Israels und der Welt müßten sein Fleisch essen und sein Blut trinken, um das ewige Leben zu erhalten. Seine Mutter und seine Halbbrüder, ebenso wie die Mehrzahl seiner Jünger, wie ich ja schon erwähnte, und ein Großteil der Zuhörerschaft haben den geweihten Ort angewidert verlassen...«
    »Das Brot der Ewigkeit!« rief Kaiphas wie benommen. »Das Brot der Ewigkeit! Das ist ja die Rede eines Heiden!« fügte er hinzu, wobei er sich mit der flachen Hand auf den Schenkel schlug.
    »Nicht die eines Juden jedenfalls, und ihre kannibalischen Inhalte sind wirklich einzigartig. Diese Informationen sind uns durch den Rabbi der Synagoge von Kafarnaum mit Eilkurier zugekommen, es finden sich darin auch ein paar Einzelheiten über die Jünger, die ich dir genannt habe«, bemerkte Gedalja. »Judas Iskariot ist ein Zelot, der vor zwei Jahren wegen eines Diebstahls, dem römische Legionäre zum Opfer gefallen waren, schon einmal mit unserer Polizei Bekanntschaft gemacht hat. Derselbe Judas behauptet jetzt — aber wir wissen nicht, ob er damit nicht nur prahlen will — , er habe jene Legionäre getötet. Man nimmt an, daß er sich Jesus anschloß, weil er die Hoffnung an der Sache der Zeloten, die, wie jeder weiß, völlig verloren ist, aufgegeben hatte und auch weil es ihm nicht gelungen war, sich irgendwo in Judäa als Anführer einer Zelotenbande zu behaupten. Ich hoffe, dir damit angedeutet zu haben«, sagte Gedalja mit einem forschenden Blick auf seinen neuen Vorgesetzten, »daß dieser Mann ein Hitzkopf und Versager ist. Thomas ist das genaue Gegenteil. Er ist ein gebildeter Mann, der viel in der Welt herumgekommen ist und mehrere Sprachen spricht. Der Rabbi von Kafarnaum fürchtet ihn ein wenig, weil Thomas viel schneller als er Passagen aus den Büchern zitieren kann und dies noch dazu einwandfrei. Dieser Thomas, der in der jüdischen Religion bewandert ist — wir glauben zu wissen, daß er eine jüdische Mutter hatte — , scheint sich Jesus nach einer zufälligen Begegnung in Antiochia vor ein paar Jahren angeschlossen zu haben, und da er einen Meister suchte, hat er sich bis zum Vorfall in der Synagoge in Abhängigkeit zu Jesus begeben. Das sind die beiden Männer, die uns zur Wahl stehen«, schloß Gedalja, während er sich Wasser einschenkte. »Weiß man, warum die zwei Männer Jesus verlassen haben?« fragte Kaiphas und begriff wieder einmal, weshalb sein Schwiegervater darauf bestanden hatte, daß er Gedalja in seinem Dienst behielt. Er war wirklich ein fähiger und klar denkender Kopf.
    »Wir verfügen über ein paar Hinweise. Judas hat lautstark verkündet, daß Jesus den Verstand verloren habe und daß er nicht nur unfähig sei, Israel jemals vom römischen Joch zu befreien, sondern daß zwei Männer von seiner Sorte Israel nur noch tiefer in die Sklaverei hineintreiben würden. Thomas dagegen soll — was jene Rede von Fleisch und Brot, von Blut und Wein betrifft — einen anderen philosophischen Standpunkt bezogen haben als Jesus.«
    »Und die anderen?«
    »Ich habe ihre Fälle anhand der verfügbaren Informationen untersucht und sie aus zwei wesentlichen Gründen verworfen. Zum einen sind sie alle Galiläer und auch in Galiläa geblieben. Obwohl zwischen ihnen und Jesus Unstimmigkeit herrscht, würden sie um nichts in der Welt die Schande auf sich nehmen, mitgeholfen zu haben, ihren ehemaligen Meister den Feinden in die Hände zu spielen. Zum anderen sind sie zu jung, oder aber es fehlt ihnen jeglicher Ehrgeiz. Das trifft weder auf Judas Iskariot noch auf Thomas von Didyma zu. Judas bindet nichts an Galiläa, er ist dem Gedanken, seinen Meister zu verraten, nicht abgeneigt, und Thomas ist ein

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