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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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eine solche Frage nicht erlaubt.
    »Aus einem Bericht, der dir zugeschickt wurde«, fuhr Kaiphas in gespielt gleichgültigem Ton fort, »und den übrigens auch ich erhalten habe, geht hervor, daß es im vergangenen Jahr rund dreitausend Prostituierte gab, wobei die Knaben und Jünglinge, die ungefähr ein Fünftel der Huren ausmachen, nicht mitgerechnet werden. In diesem Jahr ist ihre Zahl schon auf viertausend gestiegen. Wenn das so weitergeht, werden sich in Jerusalem während des Passah-Festes bald ebenso viele Prostituierte aufhalten, wie die Stadt das restliche Jahr über Einwohner zählt. Nun will ich von dir wissen: Was können wir tun?«
    Der Kommandeur verzog sein Gesicht zu einer langen Grimasse. »Das ist ein heikles Problem«, meinte er.
    »In der Tat«, pflichtete ihm Kaiphas mit leisem Spott in der Stimme bei.
    »In erster Linie stellt sich die Frage, wie man überhaupt feststellen kann, ob eine Frau oder ein Mann sich anbietet. Dazu müßte man sie auf frischer Tat ertappen und den Beweis erbringen, daß sie sich für den Geschlechtsverkehr bezahlen ließen.«
    »Dann mußt du sie eben dabei ertappen lassen«, sagte Kaiphas. »Aber, Herr, ich verfüge über knapp fünfhundert Tempelwachen. Während des Passah-Festes bräuchte ich zehnmal so viele, um jede Nacht Kontrollen in Jerusalem und auf den umliegenden Feldern und Hügeln durchführen zu können.«
    »Du könntest zunächst dein Augenmerk verstärkt auf all jene richten, die mit geschminkten Augen und in auffälliger Kleidung herumlaufen.«
    »Könnte ich das wirklich, Herr?« fragte der Kommandeur mit lauerndem Blick. »Sogar die Kinder einiger ehrenwerter Mitglieder des Sanhedrin machen diese Mode mit und rechtfertigen ihre Schminke mit der Behauptung, das Antimon, mit dem sie ihre Augen größer wirken lassen, biete Schutz vor Krankheiten. Du möchtest doch nicht, daß ich während der Festtage oder auch irgendwann sonst den Sohn einer bedeutenden Persönlichkeit des Ältestenrates verhafte, nicht wahr?« Kaiphas dachte an seine eigenen Schwager und auch an einige seiner Neffen und zog dann ein langes Gesicht. Aber diesem Treiben mußte trotzdem Einhalt geboten werden. Er wies den Kommandeur an, ihm zumindest die Namen all derer mitzuteilen, die durch herausforderndes Verhalten auffielen.
    »Außerdem«, gab dieser weiter zu bedenken, »dürfen wir nicht vergessen, daß sich während des Festes viele heidnische Besucher in der Stadt aufhalten, die zum Wohlstand Jerusalems beitragen. Wenn man ihnen die... Dienstleistungen, an die sie in den anderen Städten gewöhnt sind, vorenthielte, würden sie anfangen, unsere eigenen Töchter, unsere Frauen und, da du auch sie erwähnt hast, die Knaben und Jünglinge zu belästigen. Natürlich würden diese ihnen die kalte Schulter zeigen, aber mit der Zeit könnte das Geld sie doch locken, und so würden wir mit einer unbedachten Jagd auf Prostituierte nur unsere eigenen Bürger verderben und den Preis für die käufliche Liebe hochtreiben. Dagegen halte ich es für ein kleineres Übel, wenn wir die Dinge so lassen, wie sie sind. Wir müssen das Ärgernis nur drei Wochen lang ertragen, und im übrigen wird man nichts mehr davon sehen, wenn die Besucher erst wieder abgereist sind.«
    »Ich verstehe«, meinte Kaiphas finster. »Du kannst gehen.«
    Aber der Kommandeur der Tempelpolizei hatte einen leicht arroganten Gesichtsausdruck aufgesetzt und rührte sich nicht von der Stelle. »Hast du noch etwas zu sagen?« fragte der Hohepriester gereizt.
    In diesem Augenblick betrat Gedalja den Raum. Der Kommandeur warf einen kurzen Blick auf ihn und schien befriedigt. »Ja, Herr, ich habe noch etwas zu sagen. Ich werde nicht nur auf eine großangelegte Prostituiertenjagd verzichten, sondern mich auch jeglicher, von übertriebenem Glaubenseifer geleiteten Verfolgung lasterhaften sexuellen Lebenswandels enthalten. Es ist verwirrend für meine Männer, wenn sie bedeutende Bürger der Stadt während des Geschlechtsaktes — auf einem Hausdach zum Beispiel — festnehmen müssen, um sich später dann versichern zu lassen, daß sie einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen seien. Mit deiner Erlaubnis, Herr.«
    Damit verließ er den Saal.
    »Was wollte er damit sagen?« fragte Kaiphas.
    »Eine peinliche Angelegenheit«, murmelte Gedalja hastig. »Ein angesehenes Ratsmitglied. Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht nach seinem Namen fragst. Ich bin gekommen, um dich über andere Dinge zu unterrichten. Nach einem Skandal,

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