Ein Mensch namens Jesus
nach Johannes, der sofort zu ihm eilte. »Lebt meine Mutter noch?«
»Ja.«
»Du bist der jüngste von euch. Kümmere dich um sie, als wäre sie deine eigene Mutter!«
Dann rief er Thomas zu sich. Er konnte sich ein Lächeln nicht verwehren, als er ihn auf sich zukommen sah: ein einziges Knäuel aus Zweifel und Dickköpfigkeit.
»Laß dich nicht mehr in die Irre leiten, Thomas! Körper und Seele sind eins.«
»Wo gehst du hin?« fragte Thomas.
»Folge meinen Worten, das ist alles.«
»Wo gehst du hin? Ich folge dir seit damals in Antiochia. Ich habe ein Recht darauf, es zu wissen.«
»Ostwärts.«
Er winkte den anderen, und sie liefen herbei.
»Denkt daran, das Ende ist ein Anfang!«
Dann drehte er sich um und ging am Ufer entlang davon. Sie sahen ihm nach, bis es ihnen schien, als würde er die Straße nach Norden, in Richtung Chorazin und der Wasser von Merom, einschlagen, und er ihren Augen entschwand.
»Er ist also wirklich von den Toten auferstanden«, murmelte Thomas.
»Nur dem Sohn Gottes war das möglich«, nickte Simon Petrus.
Sie sortierten die Fische und kehrten mit ihren Netzen in die Stadt zurück.
Nachwort
Als ich diese Geschichte in Angriff nahm, war ich angesichts ihrer Zielsetzung — von der Fülle des Stoffes gar nicht zu reden — so verunsichert, daß ich beschloß, jede scheinbar romanhafte Erfindung mit einer Anmerkung zu versehen. Aber bald schon stellte sich heraus, daß mehr als zweitausend Anmerkungen nötig gewesen wären, deren Ausarbeitung ebensoviel Zeit in Anspruch genommen hätte wie die Niederschrift der Erzählung selbst. Mein damaliger Berater, Theron Raines aus New York, äußerte ebenfalls Bedenken gegenüber einem so umfangreichen Anhang von nahezu vierhundert kleingedruckten Seiten, weshalb ich mich entschloß, auf das, was man gemeinhin für eine imposante Zurschaustellung meines Wissens halten könnte, zu verzichten. Schließlich ist die Erzählung das eigentliche Betätigungsfeld des Romanautors.
Im Laufe der Jahre wuchs die Zahl dieser Anmerkungen noch an; ihr derzeitiger Umfang nähert sich dem des Buches. Sie beschäftigen sich etwa mit dem äußerst eigenartigen Sachverhalt, daß die beiden Männer, die bei Pilatus vorsprachen, um Jesus’ Leichnam zurückzufordern, Mitglieder des Sanhedrin waren — was Markus und Lukas unklugerweise betonen — , oder mit der Tatsache, daß Jesus nicht sein vollständiges Kreuz auf den Golgota schleppen mußte, sondern nur den Querbalken des Folterinstruments, wie die Evangelisten durchklingen lassen, wenn es sich nicht um spätere, stark abgeänderte Abschriften handelt. Es schien mir notwendig, die offenkundigen Unwahrscheinlichkeiten der kanonischen Evangelien aufzudecken, zum Beispiel die Beschreibung der Volksmenge, die, als sie von Pilatus Jesus’ Todesurteil fordert, erklärt, sie habe nur einen König und dieser König sei der römische Kaiser. Kein Jude hätte das jemals zugegeben und erst recht nicht lauthals vor dem Stellvertreter dieses Kaisers.
Viele Anmerkungen sollten in Erinnerung rufen, daß das von der christlichen Religion geschaffene Jesusbild als eine Art Mosaik betrachtet werden kann, dessen Steinchen oft unverändert aus fremden Glaubenslehren übernommen wurden. So zum Beispiel trug ursprünglich Apollo, der Gott der Viehherden, die Bezeichnung »Guter Hirte«, später wurden auch Mithras und Hermes so genannt, und alle drei werden mit einem Lamm auf ihren Schultern dargestellt. Sicherlich, das ist nur ein Detail, aber doch sehr aufschlußreich. Auch habe ich Simon Petrus’ Ernennung zum Grundstein der Kirche und Träger der Himmelsschlüssel abgelehnt, weil diese Symbole in wirklich bedenkenlos naiver Weise dem Mithras-Kult entlehnt wurden, dessen Anhänger den mystischen Fels Petra verehrt und Mithras die Himmelsschlüssel als Sinnbild verliehen haben. Vielleicht veröffentliche ich einmal diese Anmerkungen in einem gesonderten Werk, in dem dann zu lesen sein wird, daß Petra im »Ägyptischen Totenbuch« merkwürdigerweise auch der Name des Hüters der Himmelsschlüssel ist...
Dennoch möchte ich an dieser Stelle betonen, und sei es auch nur für all jene Leser, die Wert auf wissenschaftlich fundierte Arbeit legen, daß ich meiner Phantasie beim Schreiben dieses Buches keineswegs einfach freien Lauf gelassen habe. Alle wesentlichen Aussagen basieren auf historischen Analysen, Folgerungen und Rekonstruktionen. Ich bin sicher, daß viele Leser, würden sie sich jahrelang mit
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