Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
gingen, legten im Schein der Fackeln vom Ufer ab.
    »Wir bekommen heute nacht Wind«, meinte einer dieser Fischer, ein Mann an die Sechzig. »Vielleicht gelingt uns ein guter Fang.«
    Tatsächlich begannen die Fackeln zu flackern.
    Sechs oder sieben Männer waren es, die sich da am Landesteg zu schaffen machten und Immanuel mit zerstreutem Blick streiften. »Kommst du mit, Thomas?« rief einer von ihnen. Er rollte gerade die am Strand ausgebreiteten Netze zusammen, während zwei andere ihr Boot zu Wasser ließen.
    »Ich bin kein Fischer«, antwortete Thomas, »das weißt du doch, Natanael! Nur Fische essen, das kann ich!«
    »Ja, sogar Aale 14 !« gab Natanael scherzhaft zurück.
    »Ja, auch Aale.« Thomas nickte grinsend. »Bringt mir ruhig ein paar Aale mit!« Und er erhob sich und verschwand in der Dunkelheit, nachdem er Immanuel interessiert gemustert hatte.
    Wind kam auf, in der Tat, doch anstatt von Norden her zu wehen, wie man ursprünglich hätte meinen können, ging er in einen Nordostwind über. Immanuel streckte sich am Ufer aus, hüllte sich in seinen Umhang und dämmerte vor sich hin. Er dachte an Maria Magdalena, die Schwester des Lazarus. Was sie wohl gerade in Emmaus machte? Als er mit Hilfe eines Stabes wieder laufen lernte, saß sie eines Tages plötzlich vor ihm im dichten, sommerlichen Grün eines Wäldchens. Ganz sicher war sie auf der Suche nach einem Lebensgefährten. Oder suchte sie etwa ihn? Hatte sie ihn vielleicht immer schon gesucht? Zufall gab es bei Frauen nicht. Sie hatte ihn erblickt und lange angesehen. Auch für ihr Leben war es Sommer, und sie hatte Angst vor dem Herbst. Sie lud ihn ein, sich doch zu ihr zu setzen, doch er war, auf seinen Stab gestützt, stehengeblieben. Er hatte sich verstellt, sie gefragt, ob sie auf ihren Geliebten warte. Ja, doch er sei verschwunden, hatte sie gesagt, und sie suche ihn, ohne zu wissen, wo. Er war verlegen geworden. Als er allmählich wieder zum Leben erwacht war, hatte er sich gesagt, daß er nun ja keinen Grund mehr hatte, das Zölibat weiter einzuhalten. In seinem Leben hatte ihn nur Saphira beschäftigt; warum sollten es von nun an nicht auch andere tun? Was war denn schon ein Mann ohne Frau? Und was eine Frau ohne Mann? Ein Weinstock, der keine Früchte trägt. »Wirklich?« hatte er Maria Magdalena gefragt. »Ist er untreu, dein Geliebter?« Dabei hatte er versucht, möglichst unbeteiligt zu wirken. »Nein«, war ihre Antwort gewesen. »Er ist ein Geliebter, wie man ihn sich nur wünschen kann.« Durch sein bartloses Gesicht für sie unkenntlich geworden, hatte er sie indessen aufmerksam gemustert. Sie spielte ihm nichts vor. Sie sprach von ihm, als hätte er ihr Lager geteilt, ihren Körper gespalten, wie man für den Gast die Mandel entzweischlägt. »Maria Magdalena!« hatte er da ausgerufen, und ihr Wiedererkennen war beängstigend gewesen. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, zitterte sie noch lange am ganzen Leib vor ausgestandenem Entsetzen. Dann war sie auf den Knien zu ihm gekrochen, hatte seine Füße berührt und geküßt. »Faß mich nicht an!« hatte er gesagt. Er war nicht mehr der, den sie einmal geliebt hatte, er war ein anderer geworden. Er war nicht mehr der Messias, nein, er wollte es auch nicht mehr sein. Er brauchte eine Frau, die nichts von seiner Vergangenheit wußte. Und er hatte sie inzwischen auch gefunden: die Tochter eines Fischers, deren Mann ihr keine Beachtung schenkte, vielleicht auch zeugungsunfähig war. Heute abend oder morgen wollte er sie besuchen gehen.
    Die Kälte der ersten Morgenstunden weckte ihn. Er massierte sich die Füße, die jedesmal beim Aufwachen immer noch schmerzten, und wusch sich das Gesicht im See. Der Himmel war bedeckt, und der Wind hatte sich gelegt. Mit schlaffem Segel näherte sich langsam ein Boot. Es war jenes, das bei Anbruch der Nacht ausgelaufen war. Vier Männer sprangen mit nacktern Oberkörper ins Wasser, um es an den Strand zu ziehen und einen Stein als Anker auszuwerfen, der sich tief in den Sand eingrub.
    »Habt ihr einen guten Fang gemacht?« rief er zu ihnen hinüber. »Nein«, rief Simon Petrus zurück.
    »Wo habt ihr’s denn versucht?«
    »Auf halber Strecke nach Kursi.«
    »Wenn ihr jetzt gleich nach Betsaida zurückfahrt, stoßt ihr dort auf Karpfen und Hechte in Hülle und Fülle.«
    Er sagte das mit solcher Bestimmtheit, daß sie nichts darauf zu erwidern wußten; sie sahen ihn lediglich neugierig an.
    »Was willst du von der Fischerei verstehen?« fragte

Weitere Kostenlose Bücher