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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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meiner Tage in der Nähe eines Menschen, wie du einer bist, verbracht. Aber es gibt in Nazaret nicht genug Arbeit für auch nur einen Zimmermann, und um auf den Feldern zu arbeiten, bin ich zu alt. Morgen werde ich euch also verlassen.«
    »Warum sprichst du von dir, als wärest du nur ein Zimmermann? Du bist ebenso ein Rabbiner, und du weißt, daß es dir an nichts fehlen würde, wenn du dich als solcher hier niederlassen würdest.« *
    »Ein Rabbiner?« erwiderte Josef. »Vor dem Herrn gewiß, aber ob ich das auch noch vor den Menschen bin, da bin ich mir nicht so sicher.« Ein peinlich berührtes Schweigen folgte hierauf.
    »Nein!« fuhr Josef plötzlich zornig fort. »Unter den Menschen will ich kein Priester mehr sein! Ein Priester in dieser schandbaren Zeit? Nein! Da soll nur ein jeder die Bücher selbst lesen und zum Herrn beten, bis zu Dessen Wiederkehr!« Und zu Samäus gewandt, mit vorgerecktem Hals und bebendem Kinn, fuhr er fort: »Was hast du geglaubt? Daß ich unter dem Vorwand, ich sei schließlich auch ein Rabbiner, hierher gekommen bin, um euren Rabbiner um die Hälfte seines Brotes zu bringen? Hast du mich für einen dieser Priester aus Jerusalem gehalten? Hast du mir wirklich nicht mehr Anstand zugetraut?«
    »Ich habe niemals dergleichen gedacht«, antwortete Samäus beschwichtigend. »Ich wollte dir damit einfach nur zu verstehen geben, daß wir hier in Galiläa gastfreundlich sind.«
    »Nun gut, es wäre dieses Landes nicht würdig, wenn ich eurem armen Rabbiner seine kümmerliche Kost streitig machen würde. Er besitzt ohnehin nur die drei Schriftrollen mit den Weisungen, und es würde ihm schwer zu schaffen machen, wenn ich ihm noch die bitteren Kräuter und die Zwiebeln nehmen würde.«
    »Ich verstehe«, murmelte Samäus. »Und du hast Söhne, hat mir deine Frau gesagt. Ich hoffe, sie werden sich um dich kümmern, wo immer du dich niederläßt.«
    »Das werden sie tun, wenn ich sie bitte. Die vier sind Schreiber und Schriftgelehrte, und sie verdienen sich einen guten Lebensunterhalt im Tempel. Nur muß ich sie zunächst einmal wissen lassen, daß ich überhaupt noch am Leben bin. Seit über vier Jahren bin ich nun fort, und es würde mich nicht wundem, wenn sie mich für tot hielten, denn seit meinem Aufbrach aus Jerusalem sind sie wohl ohne Nachricht von mir.«
    »Du kannst ihnen eine zukommen lassen.«
    »Ja, aber ich würde ihnen gerne auch eine Adresse angeben. Und deshalb möchte ich so bald wie möglich eine Stadt finden, in der ich mich niederlassen kann. Ich stamme aus Judäa und kenne Galiläa nicht, aber ich habe an Kafarnaum gedacht. Das ist ein Fischerort, und Boote sind immer wieder reparaturbedürftig, was für mich Arbeit bedeuten würde. Außerdem hat man mir gesagt, daß dort ständig neue Häuser gebaut werden. Man wird also Gerüste, Türen, Fenster und Treppen brauchen können...«
    »Willst du nie wieder nach Jerusalem zurückkehren?«
    »Nicht, um dort zu leben. Doch zum nächsten Passah-Fest möchte ich dort sein.«
    Sie beendeten ihre Mahlzeit. Was Jesus von der Unterhaltung aufgeschnappt hatte, war vor allem, daß die vier anderen Söhne seines Vaters im Tempel beschäftigt waren. Warum konnte er dann nicht Rabbiner werden? Und warum hegte sein Vater solch großen Zorn gegen den Priesterstand? Und weshalb wollte er nicht nach Jerusalem zurückkehren?
     

VIII.
     
    Erster Besuch im Tempel
     
    Josef ließ sich in Kafarnaum nieder.
    Diese Garnisonstadt, die zugleich Verwaltungszentrum, Zollstation und Hauptumschlagplatz für die Fischerei am Nordufer des Sees Gennesaret war, wimmelte von Menschen. Ein Zimmermann mehr oder weniger, das spielte hier keine Rolle. Arbeit gab es genug. Kaum hatte Josef ein Haus mit Werkstatt, einen Lehrling und seine ersten Kunden gefunden, mußte er schon einen zweiten Lehrling aufnehmen. Der eine Kunde gab eine Tür und Fensterläden für ein neues Haus in Auftrag, ein anderer wollte die Balken seines alten Hauses erneuert haben. Schon nach wenigen Wochen stellte Josef zusätzlich zu den beiden Lehrlingen einen Gesellen ein. Die ganze Stadt war vom Baufieber erfaßt.
    Vor allem war man seit mehreren Jahrzehnten mit der Errichtung eines Bauwerks befaßt, das Josefs höchstes Mißfallen erregte: mit dem Bau einer Synagoge. Ganz aus weißem Stein erhob sie sich mit ihrer pilastergeschmückten Fassade auf einer Plattform, die den Blick in die Runde freigab. Auch ihr Inneres war schön, mit ihrem hohen, von sieben Säulen getragenen

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