Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
einen Fuß zu heben — Simon also nahm Helena mit sich, um seinen eigenen Weg zu gehen. Der Mond hat die Sonne verlassen. Sie überredeten mich, ihnen zu folgen, aber eines Nachts, als der wirkliche Mond schien, überkam mich die Scham. Ich sah in dem Gestirn den Widerschein des traurigen und vorwurfsvollen Gesichts des Aufrechten. Ich verließ Helena und Simon, aber ich wagte nicht, zu meinem Meister zurückzukehren. Und nun bin ich hier und heile Dummköpfe in entlegenen Dörfern und stehe da mit einer Gans.« Er weinte über sein Mißgeschick, also aufrichtig, was Jesus verdroß.
    »Deine Heilmethoden haben nichts mit Magie zu tun. Du hast lediglich die Verkrustungen aus den Augen jenes Jungen gewaschen. Er hatte keine Geschwüre und wäre nie aussätzig geworden.«
    »Das Pulver der Aloepflanze, Menschensohn. Das Pulver der Aloepflanze«, protestierte Aristophoros, während er sich mit einem Ärmel die Augen trocknete. »Es beruhigt entzündetes Gewebe. Was ist denn schon Magie? Ein Wissen, das einige wenige besitzen. Kennst du die Eigenschaften des Aloepulvers? Nein. Sprich nicht unüberlegt von der Magie! Und wie behandelt man eine besessene Frau? Weißt du es? Ich werde es dir zeigen. Du kannst nichts Besseres tun, als mir zu folgen. Ich werde dich lehren, was man mich gelehrt hat. Ich mache einen Heilkundigen aus dir. Ich bringe dir Griechisch bei. Denn wie kann man behaupten, gebildet zu sein, ohne Griechisch zu können? In der ganzen Welt sprechen die Menschen Griechisch. Aber wer spricht schon Aramäisch? Oder Hebräisch? Du bist von stattlichem Wuchs. Du gäbst sogar einen besseren Magier ab als ich.«
    »Ist das deine ganze Magie? Tut Dositheus also nichts anderes, als Leute für ein oder zwei Sesterze zu heilen?«
    »Sei bescheiden und dankbar, Menschensohn! Sei bescheiden, sage ich, weil Dositheus ein echter Prophet ist. Er lehrt, den Atem von der Materie zu unterscheiden, er lehrt auch, sich durch Kontrolle der Atmung zu reinigen. Er lehrt viele Dinge. Beurteile ihn nicht nach mir! Ich bin nur ein gesunkener Stern. Wenn Dositheus einem Kranken die Hände auflegt, tritt sofort die Heilung ein. Am Abend, bevor ich ihn verließ, habe ich ihn mit eigenen Augen einen Sterbenden ins Leben zurückholen sehen.«
    Jesus war nachdenklich geworden. Der Bauer und sein Sohn kamen, um strahlend zu verkünden, daß die Gans fertig sei.
    »Dann gehen wir also meinen Lohn essen«, sagte Aristophoros. Jesus aß ohne Appetit. Eine Frau, die Luna genannt wurde, ein Mann, der durch die Lüfte flog, ein Meister, der Tote erweckte... Er hatte seine Reise kaum begonnen. Er mußte an den Messias und an Jokanaan denken. Wo war Jokanaan jetzt? Die Erlöser tauchten da auf, wo Jokanaan sie nicht erwartete. Doch es konnten nicht die wahren Erlöser sein. Ein Messias mußte ein Jude sein.
     

XVI.
     
    Saphira
     
    An jenem Morgen, als Jesus sich nach seiner Begegnung mit Aristophoros wieder auf den Weg machte, war kein Wölkchen am Himmel zu sehen, und alles um ihn her erschien ihm luftig und angenehm leicht.
    Den Prokurator von Samarien, Galiläa und Idumäa hinderte das herrliche Wetter jedoch nicht daran, in seiner Villa in Sebaste—einem Gebäude aus rötlichem Stein, das in einem Meer von Glyzinien und Reseden förmlich versank — äußerst übelgelaunt zu erwachen. Coponius, seines Standes Ritter, war von einem Alptraum gequält worden, in dem er mit einer Hydra im Meer gekämpft hatte. Noch immer verfolgte ihn das Bild der sieben Schlangenhälse mit den sieben schrecklichen Köpfen. Wie Herkules hatte er in seinem Traum einen Kopf nach dem anderen abgeschlagen, doch war es ihm kurz vor dem Erwachen noch immer nicht gelungen, den letzten Kopf vom Hals zu trennen, da der Traumkampf ihn zu sehr erschöpft hatte; es war ihm lediglich geglückt, ihn mit seinem Arm von sich zu halten. Und nun kämpfte er bei dem Gedanken an die schleimigen Schuppen, die hervorstehenden, gallertartigen Augen und die stinkende, zwischen den Giftzähnen hervorschnellende Zunge gegen den Brechreiz an.
    Wie die meisten Römer aus der Oberschicht war auch der Prokurator abergläubisch, und der Alptraum hatte ihn derart aus der Fassung gebracht, daß er ganz gegen seine Gewohnheit eine Stunde später aufstand. Man hörte das Kommen und Gehen der Unterhändler im Hof, während der Haushofmeister mit gewichtig-geheimnisvoller Miene umherlief. Die Gemahlin des Coponius, die der so ungewohnte Zustand ihres Mannes beunruhigte, hatte vorgeschlagen, doch

Weitere Kostenlose Bücher