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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Kopf des Jungen erneut mehrmals hintereinander ins Wasser, bis dessen Schreie die seinen übertönten. Schließlich verlangte er ein Leintuch, mit dem er die Augen des Jungen auswischte.
    »Ich kann sehen! Ich kann sehen!« rief der Junge.
    Die Menge, die bis dahin den Atem angehalten hatte, murmelte und geriet in Bewegung. »Zauberei!« riefen einige. Die Mutter des Jungen warf sich dem Mann zu Füßen, streckte die Arme zum Himmel empor und bat den Herrn, daß doch der Teufel nicht an dem, was sie ein Wunder nannte, mitgewirkt haben möge.
    Der Vater dagegen hielt den Jungen an den Schultern und fragte streng: »Siehst du mich? Sind meine Augen geöffnet oder geschlossen? Jetzt? Und jetzt? Sag die Wahrheit, denn diese Behandlung kostet mich viel Geld, und wenn du das Augenlicht wieder verlierst, sobald dieser Magier fort ist, dann schlage ich dich windelweich!«
    Das Kind antwortete zitternd: »Ich sehe dich, ich schwöre es. Du hast sogar schon wieder neue weiße Haare in deinem Bart...«
    Die Frauen kreischten, die Männer klatschten in die Hände, die Kinder johlten.
    Der Magier verschaffte sich mit einigen Stockschlägen gegen den Rand des Zubers Gehör. Alle verstummten, sie erhofften sich wahrscheinlich ein weiteres Wunder.
    »Hört zu, ihr unwissenden Hunde!« sagte er in gebrochenem Aramäisch. »Euer Glück hat es gewollt, daß meine großartige Eingebung mich in euer verlassenes Dorf führte. Ihr wolltet zunächst nicht glauben, daß ich Wunder wirken kann. Jetzt seht ihr es mit eigenen Augen wie dieser Junge, den ich geheilt habe. Es stimmt, daß ich Wunder wirke. Dieser Junge hatte Geschwüre an den Augen und wäre bald aussätzig geworden. Meine Wissenschaft hat nicht nur sein Augenlicht, sondern auch sein Leben gerettet. Nun will ich bezahlt werden. Verglichen mit einem geretteten Leben ist meine Forderung wirklich gering. Ich sage euch also: Wenn ihr nicht das seid, was man in den Städten von euch behauptet, Tiere nämlich, dann entlohnt mich jetzt!«
    »Wieviel?« fragte der Vater.
    »Ich habe es dir schon gesagt, einen Sesterz.«
    Die Menge verstummte erneut.
    »Einen Sesterz?« wiederholte der Vater. »Aber das ist das Doppelte von dem, was mir der Steuereintreiber für ein Jahr abnimmt!«
    »Willst du für das Leben deines Sohnes einen Preis ansetzen, Bauer? Bist du wirklich schon so schamlos geworden? Dieser Junge wird bald mit dir arbeiten und dir viel mehr als einen Sesterz einbringen. Los, gib mir den Sesterz, oder ich werde mir mit Hilfe der Soldaten verschaffen, was mir zusteht.«
    Ein alter Mann, der die Szene seit einer Weile beobachtet hatte, trat vor und sagte: »Ich bin der Rabbiner dieses Dorfes. Jeder Mensch kennt mich und weiß, wer meine Eltern waren und was ich mache. Aber dich«, und dabei zeigte er mit seinen knochigen Fingern auf den Magier, »mit deinem prunkvollen Gewand, deinen Pulvern und geheimnisvollen Blitzen, wer kennt dich? Wer weiß, woher du kommst? Wer sagt uns, daß der Junge nach deiner Abreise nicht wieder erblindet? Mach dich augenblicklich fort von hier, dann werden wir ja sehen!«
    Der Magier lächelte selbstgefällig. »Oh, dich kenne ich auch, Huschai. Ich weiß eine ganze Menge über dich. Du behauptest, mich nicht zu kennen? Ich heiße Aristophoros und bin ein Schüler des berühmten Dositheus. Mein Name ist sogar im weit entfernten Alexandria, in Theben und Antiochia bekannt. Meinen Lehrer aber kennt jedermann. Wenn du nicht willst, daß die fünf Provinzen erfahren, wie ungebildet du bist, dann sag lieber nicht noch einmal, daß du mich nicht kennst! Damit zeigst du, wie strohdumm du eigentlich bist, so dumm, daß ich ein ganzes Jahr bräuchte, um dich zu heilen.«
    Einige Bauern lachten höhnisch. Jesus war fasziniert. Der Rabbiner öffnete den Mund, aber Aristophoros ließ ihn gar nicht zu Wort kommen.
    »Plappere doch nicht so voreilig drauflos, Rabbiner! Du bist zu schwach, um deinen Atem vergeuden zu können. Du fragst, ob mich der Teufel geschickt hat? Diese Frage müßte vielmehr ich dir stellen. Du bist auf deinem knochigen Hintern hockengeblieben, während dieser Junge hier erblindete. Ist das ein Zeichen deines Wissens? Deiner Weisheit? Deiner Güte? Nein, ich werde dir sagen, Huschai, wie diese Wirkungslosigkeit zu erklären ist: Sie ist Beweis dafür, daß du keinerlei übernatürliche Macht vertrittst. Nicht einmal der Teufel würde deine Dienste wollen, du Nichtsnutz!« Und dann, indem er sich der Zuhörerschaft zuwandte, die den

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