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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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den chaldäischen Astrologen kommen zu lassen; in den Diensten des Prokurators stand nämlich nach Art zahlreicher, im Orient lebender römischer Würdenträger auch ein persönlicher Hausastrologe und Seher. Die meisten Astrologen waren Ägypter oder Chaldäer; Balschur stammte aus Chaldäa. So schnell ihn seine etwas krummen Beine trugen, eilte er herbei, denn Coponius war weit mehr als nur eine bedeutende römische Persönlichkeit, und er, Balschur, Deuter der himmlischen Absichten, mußte das ja schließlich wissen. Coponius war der Machthaber, der die Nachfolge des Ethnarchen Archelaus angetreten hatte. Aufgrund seines hohen Ansehens durfte er weiterhin in seinem Amt bleiben, obwohl sein Gönner, der verstorbene Cäsar Augustus, sein Schicksal ganz in die Hände des Erben Tiberius gelegt und es damit den Launen eines Tyrannen ausgeliefert hatte, der im Verruf stand, unter dem Einfluß eifersüchtiger Höflinge zu stehen. Tiberius aber hatte Coponius in seinem Amt bestätigt. Ja, er war ein mächtiger Mann, dieser Coponius, und Balschur raffte die Mantelschöße, um eilends vor seinem Herrn zu erscheinen.
    Kaum hatte er das geräumige Schlafgemach des kaiserlichen Stellvertreters betreten, ließ der Sterndeuter mit theatralischer Geste die Kapuze seines Mantels auf die Schultern herabgleiten, fiel vor dem Bett auf die Knie, und während er die Arme hob und seine lange Nase in die Höhe reckte, rief er aus: »Gepriesen seist du, Herr, im Namen aller Geister des Lichts!«
    Dann erhob er sich, ohne eine Antwort abzuwarten, warf eine Handvoll Myrrhe in die große Räucherpfanne, ließ seine Hände kreisen, wandte sich dann seinem Gebieter zu und fragte, ob er bereits seine erste Mahlzeit zu sich genommen habe.
    »Der Magen hat sich mir umgedreht«, knurrte der Prokurator, »nicht mal eine Rosine könnte ich runterbringen.«
    Balschur verlangte nach einer Schale mit Rosenessenz, um Gesicht und Glieder seines Herrn zu erfrischen, dann trug er einem Diener auf, einen reifen Granatapfel auszuschaben und die Körner mit Zitronensaft zu beträufeln. Erst nach dem Bad und dieser Erfrischung werde er ihm seinen Rat erteilen, ließ er Coponius wissen. Daraufhin zog er sich ins Vorzimmer zurück. Der Prokurator kam dieser herrischen, jedoch sicherlich sachverständigen Anweisung nach, und eine Stunde später ließ er, nun schon wesentlich erholter, wieder nach Balschur rufen, um ihm von seinem Traum zu erzählen.
    Balschur saß oder hockte vielmehr in der Nähe des Bettes und wiegte seinen Oberkörper rhythmisch vor und zurück. Als der Prokurator seinen Bericht beendet hatte, verharrte er einen Augenblick mit geschlossenen Augen, dann schlug er sie auf, wobei er einen kleinen Schrei ausstieß.
    »Wir haben Vollmond«, sagte er. »die Geister der Nacht sind in Aufruhr. Sie bringen Neuigkeiten schneller als gewöhnlich in Umlauf, und ein sensibler Geist wie der deine, Herr, fängt ihre Botschaft unweigerlich auf. Ich will mich klar ausdrücken: Diese Geister wirken bedrohlich, sind es aber nicht; dennoch bedeuten sie eine Warnung, die es zu berücksichtigen gilt. Du hast im Wasser gekämpft. Der See Gennesaret liegt uns am nächsten, was also bedeutet, daß die Warnung die Angelegenheiten der Provinz Galiläa betrifft. Das Ungeheuer hat mehrere Köpfe; das heißt, daß es sich nicht um ein Individuum, sondern um mehrere Personen handelt. Es hat dich angegriffen; das deutet darauf hin, daß es über deine Person die römische Macht attackiert. Der letzte Kopf war am schwersten abzuschlagen; das wiederum bedeutet, daß er den Anführer jener Gruppe versinnbildlicht. Du wurdest, alles in allem, vor einem Aufstand gewarnt, dessen Anführer du töten mußt.«
    »Schon wieder ein Aufstand!« stöhnte Coponius. »Bist du auch sicher?«
    Balschur nickte mit Nachdruck. »Du weißt doch, daß die Steuern wachsende Unzufriedenheit im Volk hervorrufen. Nicht, daß die Juden über die Abgaben als solche empört wären, sie sind es vielmehr darüber, Leuten Steuern zahlen zu müssen, die nicht ihrem Glauben angehören.«
    »Verbohrtes Gesindel!« brummte Coponius und erhob sich von seinem Lager, um ans Fenster zu treten, wo ihn der üppige Duft der Reseden empfing. Dann sagte er: »Du hast meine Unruhe und meine schlechte Laune vertrieben. Und auf deine erfrischende Vorspeise hin habe ich Appetit bekommen.« Er schickte nach seinem Schatzmeister, um dem Chaldäer fünf Sesterzen aus seiner Privatkasse auszahlen zu lassen.
    Gut informiert zu

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