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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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sein, das war Balschurs ganze Magie. Daß ein Aufstand in der Luft lag, war nicht nur ihm bekannt, sondern vielen Leuten; daß diese Umsturzbewegung aber einen Anführer hatte, wußten nur wenige, und noch weniger kannten dessen Namen. Es handelte sich um einen Galiläer namens Judas, der seinen Glaubensgenossen ihr sträflich duckmäuserisches Verhalten gegenüber den Römern, ihren Steuereintreibern und den Bordellbesitzern vorhielt, deren Zahl in der Provinz rasend anstieg.
    Sobald Balschur gegangen war, rief Coponius den Obersten seiner Geheimpolizei zu sich und gab ihm den streng vertraulichen Auftrag, den Anführer der Revolte ausfindig zu machen. Der Beamte rief seinerseits seine Spitzel zusammen, die sich zu den Oberhäuptern des Klerus in Kafarnaum, Betsaida, Skythopolis und Pella aufmachten. Sogar bis nach Jericho in Judäa, das außerhalb ihres offiziellen Wirkungsbereiches lag, begaben sie sich und machten der Geistlichkeit klar, daß die Geduld Roms ihre Grenzen erreicht habe. Das ließen sich die Priester nicht zweimal sagen. Zehn Tage später hatte man Judas schon den Römern ausgeliefert, ihn verurteilt und in Cäsarea Philippi ans Kreuz geschlagen. »Ein gefährlicher Sektierer, der uns nur Ärger eingebracht hätte«, rechtfertigte sich der Klerus.
    Der Statthalter von Judäa, Pontius Pilatus, war sehr erfreut darüber, daß nun sein Amtskollege einen Teil der Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung in Palästina trug, denn er hatte in seiner Provinz schon genug zu tun. Was Herodes Antipas, den Tetrarchen von Galiläa, anging, so hatte der gar nicht erst eine persönliche Meinung zu einer römischen Entscheidung anzumelden und deshalb auch im Falle jenes Judas nichts mitzureden. Jedenfalls waren die Machthaber kaum geneigt, einen anläßlich der Steuern drohenden Aufruhr auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie hatten noch allzugut die rund dreitausend Opfer des Tempelaufstandes zu Beginn der Regierungszeit des Archelaus in Erinnerung, den Brand des Königspalastes von Jericho und die rund zweitausend Kreuzigungen, die man aus ebendiesem Anlaß mit Hilfe der römischen Truppen aus Syrien hatte vornehmen müssen.
    Außerdem war unbestritten, daß der Name Judas Unglück brachte. Hatte sich nicht in derselben Epoche ein anderer Judas, der Sohn des Ezechias, eines Opfers des Herodes, selbst zum Statthalter Galiläas ausgerufen! Damals hatte man die Soldaten des Imperiums auf offener Straße ermordet, und selbst dem geringsten kaiserlichen Boten mußte ein ganzer Trupp Geleitschutz mitgegeben werden. Coponius glaubte, sich auf diese Weise am einfachsten aus der Affäre gezogen zu haben. Was für einer gefährlichen Brut doch jeder, der Judas hieß, angehörte!
    Auf seiner ganzen Wanderschaft in Richtung Süden hörte Jesus die Leute jedoch nur von jenem Judas aus Galiläa erzählen. In einer Herberge versicherte man ihm, die Römer hätten den Messias gekreuzigt, denn bei Judas habe es sich ganz bestimmt um den Messias gehandelt. Andernorts behauptete man dagegen, Judas könne gar nicht der Messias gewesen sein, da dieser ja noch am Leben sei und sich Dositheus nenne.
    Er war also recht ratlos, als er Skythopolis erreichte. Skythopolis! Auch wenn die Stadt nun einen neuen heidnischen Namen trug, geriet darüber der wahre Name Bet-Schean nicht in Vergessenheit. Auf den Mauern Bet-Scheans hatte man einige Jahrhunderte zuvor die Leichname Sauls und seiner Söhne zur Schau gestellt, nachdem die Hebräer im Gebirge von Gilboa von den Ägyptern besiegt worden waren... Am Spätnachmittag kam er dort an, müde und traurig, und er verspürte einzig und allein den Wunsch, einem freundlich gesinnten Menschen zu begegnen. Er ging, ohne zu wissen, wohin. Sein Blick irrte über die Vielzahl römischer Bauten, Tempel, Statuen, Pferderennbahnen, Aquädukte und Säulenhallen, die sich vor ihm ausbreitete. Fast an jeder Kreuzung schlenderten Prostituierte beiderlei Geschlechts, die ihrer Aufmachung nach nicht gerade in Armut zu leben schienen, hüftschwingend an ihm vorüber. Waren die Einwohner dieser Stadt wirklich so heißblütig? Aber Müdigkeit und Hunger ließen nicht einmal das Gefühl der Verachtung aufkommen. Er fragte sich nur, ob es ihm wohl gelingen werde, etwas Ruhe zu finden auf diesem Tummelplatz der Religionen, Hoffnungen, Betrügereien und Revolten, zu dem die ehemalige Königsstadt Davids verkommen war. Die Abenddämmerung tauchte die Stadt in bläulichschwarzes Licht mit roten

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