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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Frau gehabt.«
    Sie ließ die Worte in die Stille fallen, so wie ein Wechsler den Klang der erhaltenen Münzen in seinem Ohr nachhallen läßt, um den Silbergehalt zu prüfen.
    »Es gibt Höheres als die Fleischeslust«, entgegnete er, »die Ehre eines Volkes zum Beispiel.«
    Sie schlang die Finger ineinander, und ihre Ringe funkelten wie die Augen eines Tieres. »Die Ehre!« brachte sie mit erstickter Stimme hervor. »Ich wurde im Stich gelassen, weil mein Mann um seine Ehre fürchtete. Die Ehre, dieses Spielzeug der Männer! Ein so kostbares Spielzeug, daß sogar Frauen bereit sind, sich ihm zu opfern. Ich bin ehrlos, Sohn eines Mannes, und ob du es glaubst oder nicht, ich bin stolz darauf. Ihr Männer Israels! Eure Ehre erfüllt mich mit solcher Verachtung, daß es mich beinahe glücklich macht, das zu sein, was ich bin. Und ihr glaubt an Jahwe! Als ob er nicht geradezu die Verneinung der Ehre wäre...«
    »Frau!« schrie er.
    »Schweig!« schrie sie noch lauter und ganz wild. »Die Ehre! Für euch ist sie ein Bild, das ihr euch selbst entwerft. Aber wem möchte der Alleinige schon das Bild Seiner selbst verleihen?« Ihre Schritte wurden gedehnter, ihre Bewegungen fast katzenartig. »Ich weiß, welche Männer du bis jetzt kennengelernt hast — erzähl mir nichts alte Schriftgelehrte, Köpfe, die im Vergangenen wühlen. Täusche dich nicht, Galiläer! David war nicht wie sie. Die Vergangenheit ist vergangen, uns bleiben nur gespreizte Worte von ihr, wie sie die Sadduzäer herunterbeten und die Pharisäer andachtsvoll aufs Papier kritzeln. Geh nur zu deinen Magiern, du Naivling!«
    »Und die Propheten?« fragte er zutiefst verunsichert. »Waren die Propheten auch Männer, die in der Vergangenheit lebten?«
    »Wir könnten einen an jeder Straßenkreuzung in allen Städten Israels brauchen«, entgegnete sie höhnisch. »Bist du wohl ein Prophet?« Die Lampen rauchten. »Du hast mich gerührt, als ich dich auf der Straße sah. Ich glaubte in deinem traurigen Schritt, der Art, mit der Sandale über die Steinplatten zu streifen, in deinem geneigten Kopf und deinen leeren Händen Zärtlichkeit erkennen zu können. Irrtum, gutgläubige Frau, du hast dich täuschen lassen. Du sahst nur einen Soldaten ohne Feldherrn. Morgen schon wird Blut für seine Ehre fließen. Soldat, die Diener werden dir sagen, wo du das Bad findest, denn du bist weiterhin willkommen in meinem Haus. Sie werden dich auch zu deinem Zimmer führen und dir zeigen, wie man die Tür von innen verriegelt.« Dann entfernte sie sich.
    »Sag mir deinen Namen!« rief er ihr nach.
    »Saphira.«
    Wieder war er allein. Gedemütigt und wütend, den Tränen nahe. Einer der Nubier erschien. Er folgte ihm, denn ein Bad hatte er bitter nötig. Er achtete kaum auf den Luxus, den Wasserhahn, aus dem wohlriechendes Wasser floß, die ebenfalls parfümierte Seife; einen Augenblick lang stand er vollkommen verwirrt in dem Marmorbecken. Er wusch sich. Der Nubier kam, um ihn abzutrocknen, und reichte ihm ein Leinengewand.
    Nicht einmal die erlesene Ausstattung seines Zimmers konnte seine trüben Gedanken vertreiben. Kostbares Holz, Bronze, Elfenbein... Alles um ihn war in tiefes Schweigen gehüllt. Nur vom kleinen Garten im Innenhof drang ein leises Raunen an sein Ohr. Er ging umher und konnte keinen Schlaf finden. Das Haus wirkte gänzlich verlassen. Er verlor sich in den Gängen. Wie war es möglich, daß eine Prostituierte ihm solche Angst einflößte?
     

XVII.
     
    Sophia
     
    Welch groteske Redseligkeit! dachte er bei sich, als er sich an Aristophoros erinnerte. Führte also die Lehre eines Dositheus oder auch die seines Schülers Simon zu einem solch jämmerlichen Ergebnis? Und dennoch, die Magier, einerlei ob sie nun wirklich Magier oder Betrüger waren, verfügten über Macht. Wenn er sie nur endlich zu Gesicht bekäme, dann wüßte er bald — dessen war er sich sicher — , was tatsächlich an ihrer Zauberei dran war. Aber um zu erfahren, wie sie ihre Macht gewonnen hatten, mußte man ihnen eben erst begegnen. Denn gerade Macht fehlte ihm. Er war einsam und verwundbar. Auch mangelte es ihm, seiner Meinung nach, an einem gewissen Scharfsinn, wie Saphira ihn an den Tag gelegt hatte. Weniger als eine Stunde hatte sie gebraucht, um ihn, gewissermaßen von innen her, bloßzulegen. Solche Menschen gewannen, je näher man sie kennenlernte.
    Im weißflirrenden Sonnenlicht lag der staubige Weg vor ihm. Von Skythopolis war er aufgebrochen, hatte dann das Gilboa-Gebirge

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