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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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An den Wegen lauert dir überall betrunkenes Raubgesindel auf. Bleib hier, wenn du willst! Morgen früh kannst du dann weiterziehen. Ich mache gleich etwas zu essen für uns; es gibt süße Wurzeln, geröstete Heuschrecken und Honig. An der Quelle hinter der Höhle kannst du dich waschen.«
    Als Jesus von der Quelle zurückkam, ließ Obed gerade Heuschrecken auf einem Geflecht aus grünen Zweigen, das er über dem Feuer bewegte, brutzeln. Die Flügel der Tiere hoben sich in die Luft, als wollten sie ein letztes Mal fliegen, waren jedoch nur noch hauchdünne Aschenfetzchen; die Beine glühten rot auf und zerfielen; nur die bräunlichen, zusammengeschrumpften Körper blieben übrig. Sie schmeckten nach gebratenem Fischschwanz und Mandeln. Obed legte nun einige Wurzeln in die Asche, als sie diese verzehrt hatten, holte er eine Honigwabe aus einem Bienenstock und zeigte Jesus, wie man mit dem kleinen Finger den Honig daraus hervorholte. Dann sprachen sie gemeinsam die Danksagung. Die Nacht um sie her knisterte, zischelte, schrie.
    »Die Dämonen gieren nach dir, und du suchst Dositheus«, bemerkte Obed. »Du bist also bereits von Bedeutung, aber du strebst nach Macht.« Er stocherte im Feuer herum. »Wozu kann Macht denn dienen?«
    »Zur Rettung der Ehre.«
    »Es ist unmöglich, gleichzeitig Priester und Soldat zu sein«, entgegnete Obed. »Du sprichst von der Soldatenehre.«
    »Die römischen Adler auf dem Giebel des Tempels in Jerusalem...«, begann Jesus.
    »Ja, ich habe sie gesehen«, unterbrach ihn der Eremit. »Es wäre besser, wir hätten keinen Tempel oder würden ihn nicht besuchen. Der Tempel war nur eines Salomon würdig. Später wurde er zum Hohn.«
    »Aber uns fehlen die Ehre und das Schwert. Soll man es dabei bewenden lassen?«
    »Ich ließ es nicht dabei bewenden«, gab Obed lächelnd zurück.
    »Du siehst ganz so aus, wie man sich die Essener vorstellt. Bist du ein
    Essener?«
    »Ich war einer. Aber ich brauche die Einsamkeit. Selbst die Lehre der heiligsten Männer hat ihre Grenzen.«
    »Wir können nicht alle in Höhlen leben.«
    »Wird die Macht, nach der du strebst, der Ehre oder dem Schwert dienen? Wirst du Soldat oder Hoherpriester? Wenn Dositheus dir beigebracht hat, Wunder zu wirken, welchen Weg wirst du dann wählen?« fragte Obed.
    »In wessen Namen vollbringt er Wunder?«
    »Er ist weder ein heiliger Mann noch ein Prophet, er ist ein Magier. Er stellt Gold her, läßt Gegenstände in der Luft schweben und heilt Menschen, manchmal nur durch schlichtes Handauflegen. Ich weiß nicht, welche Kraft dabei in ihm wirkt. Er sagt von sich, er handle im Auftrag dessen, was er den Großen Geist des Universums nennt. Aber ich vermute, daß dieser Große Geist nicht Jahwe ist.«
    »Wer denn dann?« fragte Jesus.
    »Dositheus behauptet, alles Immaterielle sei göttlich. Aber er vergißt, daß auch der Dämon immateriell ist, und das scheint mir ein großer Irrtum zu sein. Werden ihm seine Kräfte vielleicht vom Teufel verliehen? Ich weiß es nicht. Aber ich ahne, daß sie aus niederen, möglicherweise von Dämonen beherrschten Sphären herrühren.«
    Oh, du dunkle, abgründige Welt! Jude zu sein war also nicht das alle Welt beherrschende Hauptproblem, da auch Nichtjuden mit einer Macht unterhandelten, die sehr wohl Jahwe sein konnte; und ebenso konnten ihre Dämonen die gleichen sein wie die, von denen auch die Juden verfolgt wurden. Josef hatte solche Fragen nie erwähnt. Die Straße wirkte an sich schon düster genug. Nun gab es da eine Abzweigung, und die Abzweigungen wiederum gabelten sich erneut, und so setzte sich das wohl unendlich fort.
    Obed stocherte wieder im Feuer herum, als suche er in ihm nach Worten. »Dositheus wurde im Osten unterrichtet.«
    »Von Buddha?« fragte Jesus.
    »Nein, die Buddhisten rufen nicht die Geister an. Ich kenne den Namen seines Lehrers nicht. Vielleicht wurde er auch von mehreren unterwiesen. Es gibt so viele Leute auf der Welt, die die Geister anrufen können. Aber welche Geister? Es gibt welche, deren Wesenheit ich nicht kenne und die tief unter der Erde hausen. Vielleicht steht er mit ihnen in Verbindung und versetzt sich mit ihrer Hilfe an andere Orte.«
    »Wie ist das zu verstehen?« fragte Jesus.
    »Er hat gelernt, seinen Körper zu verlassen und durch die Lüfte zu schweben. Dieses Geheimnis gab er an einen Schüler namens Simon weiter, der ihn verließ, um seine eigene Sekte zu gründen.«
    »Wie kann man durch die Lüfte schweben?«
    »Man scheint an einem Ort

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