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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weißt nicht, was gewesen ist, wie schrecklich mich damals das Schicksal schlug. Ein Schicksal, das ich selbst heraufbeschworen hatte und dessen Konsequenzen ich aus Feigheit nicht tragen wollte. Ich wurde dafür geschlagen, ich habe gebüßt für diese Feigheit … Und dann traf ich dich, und mein Leben begann wieder einen Sinn zu bekommen – auch wenn ich statt Verdi einen Negersong kreierte und mich Jackies Trompete manchmal verrückt werden ließ. Aber ich konnte wieder singen, ich konnte wieder lieben … Und ich liebe dich, Gloria, ich habe dich schon in Wien geliebt. Du bist ein guter Kerl …«
    »Das soll ein Abschied sein?« Gloria Marina lächelte schwach. »Ein Händedruck … Bist ein guter Kerl … Wie man zu einem Pferd sagt, das gut über siebzehn Hindernisse gesprungen ist und den Reiter zur Meisterschaft brachte. Zuckerstückchen, eine Mohrrübe, und dann ab in den Stall. Vielleicht noch ein Schlag auf die Kruppe …« Sie drehte sich herum und bückte sich. »Bitte … Das fehlt noch zum guten Kerl …«
    »Gloria …«, stammelte Franz hilflos. »Mach es mir doch nicht zu schwer …«
    »Dir zu schwer … Dir … Immer nur du! Und wer denkt an mich? Habe ich dich nicht geliebt?« Sie sprang vor und prallte gegen ihn, sich an seinem offenen, zerrissenen, schmutzigen Hemd festkrallend. »Warum hast du uns aus der Höhle gerettet?« schrie sie. »Es wäre besser gewesen, wir wären erstickt … Wir beide … Dann hätte ich dich behalten, dann wärst du mein geblieben für alle Zeiten …«
    »Gloria! Wie kannst du das sagen?!« rief Franz entsetzt. »Ich werde dich nachholen, sobald ich die Oper erobert habe.«
    »Sprich nicht solch eine Dummheit!« schrie sie. »Du glaubst es ja selbst nicht! Du belügst dich ja selbst! Wenn du fort bist, in Rom oder Neapel oder Mailand, und ich singe in Barcelona oder Rotterdam oder Lissabon – da soll es noch einen Weg zueinander geben, eine Straße, eine Brücke, auf der wir uns begegnen?! Aus ist es, endgültig aus! Das weißt du so gut wie ich! Wir gehen auseinander und wissen, daß wir uns nie wiedersehen … Vielleicht hören wir voneinander … ›Der große Tenor‹ steht dann in den Zeitungen. Oder: Jackies Band spielt ›Rhythmen der Nacht‹. Oder: ›Triumph einer Stimme! Der neue Caruso!‹ Mehr werden wir nicht hören, und wir werden uns vergessen, weil das Leben eben weitergeht! Das ist es, das allein! Darum rede mir nicht von Nachholen und Liebe und Nichtvergessen!« Und plötzlich schrie sie und hielt sich dabei die Ohren zu. »Hör auf damit! Ich kann es nicht mehr hören, diese Lügen, diese Lügen …«
    Ihr Gesicht war verzerrt, die langen, schwarzen Haare hingen ihr wirr über die Augen. Ihre blasse Haut schien von innen heraus zu leuchten, zu phosphoreszieren vor unheimlicher, flammender Erregung. Ihre Augen waren weit, starr und fast gläsern wie bei einer Tetanuskranken oder bei einer Rauschgiftsüchtigen im Kulminationspunkt der Trance.
    »Du glaubst mir nicht?« sagte Franz Krone schwach.
    »Nein! Nein! Nein!« schrie sie wild. »Warum stehst du noch hier herum? Geh doch! Geh doch endlich! ›Bist ein guter Kerl‹, hast du gesagt. Hast liebevoll gelogen … Dem Pferd auf die Kruppe hauen wolltest du nicht … Vielleicht hast du ein Zuckerstückchen zu verteilen …?«
    »Ich habe gedacht, du würdest mich verstehen!« sagte Krone erschüttert. »Ich habe einen Augenblick geglaubt, du könntest ermessen, was die Bekanntschaft mit Caricacci für mich bedeutet, für mich und für dich! Ich habe bis jetzt geglaubt, daß du mich so liebst, um auch Opfer bringen zu können, gerade jetzt, wo es um meine ganze Zukunft geht, um ein Wiederfinden des wirklichen Lebens. Aber ich habe mich getäuscht – du bist nur egoistisch, sonst nichts.«
    »Das mußt du mir sagen, du mir?!« Sie stürzte auf ihn zu. Plötzlich stand sie vor ihm, klein, katzenhaft, umflattert von den wilden, schwarzen Haaren. Ihre Augen waren übergroß geweitet, sie flackerten … »Du! Du!« schrie sie, immer und immer wieder, und bei jedem Du schlug sie zu, schlug Franz Krone ins Gesicht mit ihrer kleinen, zarten Hand, die so zärtlich streicheln konnte.
    Krone nahm die Schläge hin. Er schloß die Augen und ertrug es, ohne den Kopf zur Seite zu nehmen, ohne ihr die Hand einfach festzuhalten.
    »Warum wehrst du dich nicht?!« schrie sie außer sich vor Zorn. »Warum hältst du mich nicht fest? Warum erwürgst du mich denn nicht?! Sieh, ich schlage dich … Ich schlage …

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