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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von einem Besuch bei der ›Konkurrenz‹, den Sängern der Oper von Rom. Hier hörte sich Franz Krone die Opern an, die er einmal selbst singen würde … Caricacci saß neben ihm und machte ihn auf die Fehler aufmerksam, die sonst niemand bemerken würde, ein halber, falscher Ton, eine abgebrochene Fermate, weil die Luft nicht ausreichte, ein Mangel der Messa di voce, Dinge, die Franz Krone beherrschte wie alltägliche Dinge. »Sie werden diese Laffen alle von der Bühne singen, Francesco«, sagte Caricacci leise und beugte sich über den Rang der Loge vor. »Wenn Sie da unten stehen, wird das Publikum glauben, es träume. Noch vierzehn Tage, und Sie singen Giulio vor.«
    »Dem Leiter der Oper?«
    »Ja. Ich habe ihm bereits einige Tonbandaufnahmen von Ihnen gebracht. Sie haben es gar nicht bemerkt, daß ich Sie aufnahm – gestern noch, als Sie ›Manon‹ sangen. Das Mikrophon stand hinter einem Blumenstrauß, und im Nebenzimmer lief das Band ab.« Caricacci freute sich über das erstaunte Gesicht Krones und nickte. »Hätten Sie's gewußt, wären Sie vielleicht befangen gewesen, aber so sangen Sie wie ein junger Gott! Giulio wollte Sie schon nach dem ersten Band engagieren und konnte nur mit Gewalt zurückgehalten werden, mein Haus zu stürmen. Aber in vierzehn Tagen ist es soweit. Giulio wird zu uns kommen, und im Februar werden Sie dann dort stehen, wo Caruso, Gigli, Lauro Volpi und Tito Schipa standen: auf den Brettern der Oper von Rom!«
    Im Februar!
    Bis dahin waren es noch etliche Wochen, Wochen der harten Arbeit, der Selbstbezwingung, des ›Terrors der Caricacci-Methode‹, wie es der Gesangslehrer selbst von sich sagte. Was Professor Glatt ihm nicht geben konnte, das lernte er hier als einen der Grundbegriffe: Sicherheit, Selbstgefühl, traumwandlerisches Singen schwerster Passagen und Bezwingung einer körperlichen Schwäche, die jeder kennt, der einmal drei Stunden im heißen Licht der Scheinwerfer auf einer Bühne gestanden hat.
    Der Abschied von Gloria in Nauplion war weniger erregend gewesen als der Abschied von Jackie John.
    Als Franz ihm sagte, daß er nach Rom gehe, um bei Caricacci wieder den Sprung zur Opernbühne zu versuchen, hatte er zunächst nichts gesagt und den vor Schreck Gelähmten gespielt. Dann hatte er geschrien: »Mixer! Drei siebenstöckige Kognaks für mich! Ich falle um!«, um dann Franz Krone zu umarmen und zu jammern. »Was soll ich ohne dich machen, mein Junge?« rief er. »Du bist das A und O meiner Band! Mit Gloria allein bekomme ich nur Engagements in drittklassigen Bars, aber du bist Klasse! Jackie Johns Band war ein Begriff! Hier!« Er griff in die Hosentasche und holte ein Bündel zerknitterter Papiere hervor. Er hielt sie Franz unter die Nase. »Hier – Verträge nach Lissabon, Cannes, San Remo, Viareggio, Turin, Venedig! Venedig, mein Junge! Das ist der Höhepunkt der Band: Gastspiel am Lido von Juni bis September nächsten Jahres! Du bekommst tausend Emmchen von mir, wenn du bleibst! Und Gloria kannste heiraten! Ich geb' euch meinen brüderlichen Segen! Nur bleib bei uns, mein Junge!«
    »Es geht nicht, Jackie.« Franz Krone nahm einen der Kognaks, die der Mixer heranschob. »Ich gehöre auf eine Opernbühne. Diese Schnulzen sind nicht mein Fall!«
    »Auf der Oper macht du dich kaputt! Ein paar Jahre lang jeden Abend die Arien gekräht – mein Junge, das wirft dich um! Aber hier, unsere Schnulzen, die du singst wie weichgekautes Brot, die strengen dich nicht an und bringen dich genauso anständig durch und um die Welt wie deine Verdis oder Puccinis!«
    Franz Krone mußte lächeln – er legte Jackie die Hand auf die Schulter und reichte ihm einen Kognak herüber.
    »Trink, Jackie«, sagte er. »Ertränke deinen Schmerz und suche morgen einen anderen Sänger.«
    »In diesem dreckigen Nauplion?! In diesem Erdbebenloch?! Ich bin pleite, wenn du gehst …« Er schluchzte auf und trank den Kognak in einem Zug leer. »Brr!« schrie er. »Sogar der Kognak ist hier Mist! Alles ist Mist! Alles! Jim – noch einen Kognak!«
    Franz Krone ließ Jackie an der Bar stehen und stieg die Treppen hinauf zu dem Zimmer Glorias. Er klopfte an, aber niemand öffnete ihm. Er wartete ein wenig, dann klopfte er noch einmal, drei-, viermal hintereinander. Ein Zimmermädchen sah aus ihrem Bügelzimmer auf den Flur und schüttelte den Kopf. »Miss Gloria ist ausgegangen«, sagte es auf englisch. »Sie wollte baden …«
    »Danke.«
    Er stieg hinunter in die Halle, wo Jackie gerade dabei war,

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