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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein weißer Nash durch Gythion, bestaunt von den Bauernjungen und den Eselstreibern, die von den steinigen Feldern kamen. Noch mehr aber als den weißen Straßenkreuzer bewunderten sie den Mann hinter dem großen Steuerrad, einen gelben, kleinen, schlitzäugigen Mann, der mit breitem Grinsen sprach und sie fragte, wo hier ein gewisser Corani wohne. Sein schwarzes Haar lag glänzend um den runden Schädel, und trotz der Hitze, die sich zwischen den Felsen staute und das Atmen schwer machte, schwitzte er nicht, sondern machte den Eindruck, als sei er frisch einem kalten Bad entstiegen.
    Wenig später parkte er den Wagen unten am Hügel des weißen Hauses und blickte den Felsen hinauf zu dem großen Garten mit der Fülle blühender Büsche und rankenden Weins.
    Dr. Kuranomu schlug die Tür des Wagens zu und kletterte den gewundenen Weg hinauf. Vor dem hohen Gittertor sah er sich um und drückte dann auf die Klingel, die in einen der Gitterstäbe eingelassen war. Er mußte etwas warten, bis eine junge, hellblonde Frau den Weg entlang kam und – als sie ihn sah – zu laufen begann. Noch bevor sie das Tor aufschloß, sagte sie atemlos: »Dr. Kuranomu?« Der Japaner nickte. »Ja, gnädige Frau.« Er sprach deutsch, ein wenig singend, mit einer hohen, fast einer Fistelstimme.
    Greta öffnete das schwere Tor und ließ den Gast in den Garten. Hinter ihm verschloß sie wieder sorgsam die Gittertür. Dr. Kuranomu sah sich erstaunt um.
    »Wie eine Festung«, bemerkte er. »Ist der Herr Kammersänger menschenscheu geworden?«
    »Sie wissen es noch nicht?« Greta war stehen geblieben. Etwas Geheimnisvolles, fast körperlich spürbar Strahlendes ging von dem kleinen Japaner aus. »Man hat es Ihnen nicht gesagt? Sie haben es nicht gelesen?«
    »Nein.« Kuranomu schüttelte den gelben Kopf. Das Grinsen in seinem Gesicht verlor sich. »Corani – Verzeihung – Ihr Gatte ist erkrankt?«
    »Er hat seine Stimme verloren … Er ist stumm«, sagte Greta mühsam. Sie fühlte, wie es in ihrem Hals würgte. »Nur nicht weinen«, zwang sie sich zu denken. »Nicht zeigen, daß du es schwerer trägst, als die Umwelt wissen soll. Du hast stark zu sein, ganz stark … Nur so kannst du ihm helfen.«
    Dr. Kuranomu schob die schmale Unterlippe vor. »Stumm?« sagte er leise. Seine Stimme hatte den leichten, freundlichen Ton verloren. »Völlig stumm?!«
    »Ja.«
    »Ich habe Ihren Gatten in San Francisco gehört. Wir hatten einen Ärztekongreß und besuchten am Abend die Oper. Er sang den Turiaan in Mascagnis ›Cavalleria rusticana‹. Wir saßen alle wie vor einem Wunder, gnädige Frau. Wir begriffen nicht, daß es möglich war, solche Töne aus einer menschlichen Kehle zu hören. Wir waren etwa siebzig Kehlkopfspezialisten, wir kannten genau die Leistungskraft einer menschlichen Kehle. Und an diesem Abend erlebten wir die Demonstration, daß wir uns irrten, daß es doch noch Wunder gab und unsere Theorien ad absurdum geführt wurden. ›Wie lange hält die Kehle das aus?‹ dachten wir damals. ›Das kann nicht gut gehen, das ist eine Überforderung, eine Herausforderung an die Natur, eine physiologische Folterung!‹ Er sang wie ein Gott, und wir verließen die Oper in dem Bewußtsein, etwas gehört zu haben, was wir nie wieder hören würden. Darum bin ich sofort nach Gythion gekommen, als in meinem Hotel in Korinth Ihr Telefonanruf auf meinem Tisch lag.« Er knöpfte den Kragen seines Seidenhemdes auf, trotz der Rasensprenger war es brütend heiß. »Und jetzt ist er stumm? Eine vollständige Lähmung?«
    »Ja. Die Ärzte – wir haben in diesen Monaten zwölf bekannte Spezialisten aufgesucht – sagen, es sei eine doppelseitige Recurrenslähmung.«
    »Durch einen Tumor?«
    »Nein. Auf hysterischer Basis …« Sie schämte sich, das Wort auszusprechen, es klang, als würde sie sagen: »Mein Mann ist ein Hysteriker, ein halber Irrer, ein Mensch ohne Selbstbeherrschung.« Aber Dr. Kuranomu nahm die Diagnose seiner Kollegen gelassen hin. Für ihn war der Ausdruck ›hysterische Lähmung‹ ein wissenschaftlicher Fall, nichts weiter.
    »Hat Ihr Gatte Schocktherapie bekommen?«
    »Ja. Aber ohne Erfolg.«
    Dr. Kuranomu nickte. »Ich dachte es mir.« Er sah hinüber zu dem weißen Haus mit dem leuchtenden roten Dach. »Kann ich Ihren Gatten jetzt sehen?«
    »Aber bitte, Herr Doktor.«
    Sie gingen um die Maulbeerbüsche herum und kamen an das große Rosenbeet, das vor dem glasüberdachten Eingang lag. Der schwere Duft der Rosen schlug ihnen entgegen,

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