Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
warum Iain Benji nicht kennenlernen wollte. Iain war ein freundlicher, warmherziger und liebenswerter Mensch gewesen. Vielleicht war er ein bisschen unzuverlässig und unverbindlich, doch Daisys Schilderung seiner Reaktion auf Benjis Geburt erschien mir plötzlich unglaubwürdig.
Eine Lüge. Mir dämmerte auf einmal, dass es einen anderen Grund geben musste, warum Daisy nicht über Iain sprechen wollte. Ich stand mit einem Mal stocksteif da, sodass sich eine Frau an mir vorbeidrängen musste, worauf sie missbilligend mit der Zunge schnalzte. Ich dachte an Benjis Geburt und ging gedanklich die Daten durch und rechnete.
Ich hatte Benjis schwarzen Haarschopf vor Augen. Ich holte tief Luft und hielt den Atem an, legte eine Hand auf mein Herz und spürte den Herzschlag bis in meine Zähne. Mir wurde glühend heiß. Der Schweiß brach mir aus, und ich bekam fürchterliche Kopfschmerzen. Der herannahende Bus verschwamm zu einem roten Fleck, und obwohl es ein herrlich leuchtender Tag war, wurde die Welt um mich herum so dunkel wie Granit, während meine Beine unter mir nachgaben. Jetzt ergab alles einen Sinn.
Benji war Ethans Sohn.
23. Kapitel
S ekunden später, ich lag immer noch auf dem Bürgersteig, kam ich wieder zu Bewusstsein. Eine Frau mittleren Alters mit kurzem hellblondem Haar half mir, den Kopf zwischen die Beine zu legen.
»Das Blut fließt dann leichter zurück in den Kopf«, erklärte sie und hielt meine Schultern sanft fest. »Ich bin zwar keine Krankenschwester, aber das sagt mir mein gesunder Menschenverstand.«
Der Inhalt meiner Tasche lag auf dem Boden verstreut herum: Lippenstift, Taschenspiegel, Geldbeutel, Schere, Handy, die Schlüssel des Cafés und eine Rolle Pfefferminzbonbons. Und da dachte ich, genauso wie meine Tasche fühle ich mich auch: ausgeleert und durcheinander.
»Bleiben Sie ein paar Minuten so vornübergebeugt und atmen Sie!«, meinte die Frau. »Und hier ist eine Flasche Wasser. Sie sollten etwas trinken und in den Schatten gehen. Es ist ganz schön heiß. Möchten Sie, dass ich einen Krankenwagen oder Ihren Freund oder eine Freundin anrufe?«
Ich schüttelte den Kopf und blinzelte. Vor meinen Augen tanzten unscharfe Punkte. Ich sah hoch und versuchte meinen Blick zu fokussieren. Ich erkannte einen vollbesetzten Bus, aus dem mich die Leute anstarrten. Neben mir baumelten die Pfauenfedernohrringe der Dame, die sich um mich kümmerte. Ich schaute hinunter auf meine Knie und schloss die Augen.
»Nein, danke«, murmelte ich zitternd. »Ich brauche nur eine Minute, dann werde ich …«
Der neugeborene Benji, wie er an Daisys Brust hing, sie in einem schmalen Bett im King’s College Hospital, das offene Haar auf ihren nackten Schultern, sie betrachtete ihn voller Hingabe. Dieses Bild tauchte vor meinem geistigen Auge auf und brannte sich darin ein. Daisy hat gelogen, und das nicht nur im Hinblick auf ihre Affäre mit Ethan, sondern auch wer Benjis Vater war. Wie konnte sie nur? Ich war mir plötzlich so sicher, dass mir das Blut in den Adern gefror. Daisy hatte ein Kind von Ethan – und er wusste es noch nicht einmal. Ich war sprachlos. Meine Welt war aus den Angeln gehoben worden, so wie eine zu heftig geschüttelte Schneekugel, deren Miniaturfiguren auf dem Kopf standen.
»Ist wirklich alles mit Ihnen in Ordnung?«, fragte die Frau. »Können Sie aufstehen? Sie sehen sehr blass aus.«
Langsam wurde mein Blick wieder klarer, sie stützte mich, und ich stand auf. Ich klopfte mir den Staub von meinen Shorts, nahm einen Schluck Wasser aus der angebotenen Flasche und zwang mich zu einem Lächeln. Sie sah mich besorgt an, als sie mir meine Handtasche gab, in die sie alle herausgefallenen Sachen wieder hineingesteckt hatte.
»Es tut mir leid«, antwortete ich und nahm die Tasche. »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich werde mir ein Taxi nehmen. Ich weiß nicht, was passiert ist. Vielleicht liegt es an der Hitze …«
Meine Worte verhallten, während die Frau ein Taxi für mich herbeiwinkte. Ich drehte mich zu ihr um und bedankte mich, bevor ich mich auf die kühlen Ledersitze niederließ und den Fahrer bat, mich nach East Dulwich zu bringen. Ich wusste nicht, wo ich sonst hinsollte. Ich musste nachdenken und mich beruhigen.
Während die Klimaanlage mir kalte Luft ins Gesicht blies, zwang ich mich, wenn auch nur für einen Moment, an das Café zu denken und jegliche Gedanken an Ethan und Daisy auszublenden. Ich murmelte leise vor mich hin und ging die Pläne für das Café durch.
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