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Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Titel: Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Bratley
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Vater war furchtbar. Er hatte sich größte Mühe gegeben, ihn nicht zu verabscheuen, doch die Jahre unberechenbarer Wutanfälle und Alkoholabstürze forderten ihren Tribut. Ich wusste, dass die Anwesenheit seines Vaters ihn unter enormen Druck setzte.
    »Oh Gott«, sagte ich besorgt. »Kommst du klar? Tut mir leid, Joe, das habe ich nicht gewusst. Das hättest du mir sagen sollen. Wie geht’s ihm?«
    Joe zuckte mit den Achseln, doch sein Blick blieb gesenkt.
    »Ach, du weißt doch«, erwiderte er. »Wie immer. Kennt mal wieder nicht den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Ist alles nur ein einziges, riesiges Saufgelage. In der einen Minute tut ihm alles fürchterlich leid, und er weint, weil er uns so sehr liebt, und in der nächsten Minute sind wir alle nutzlos und nichts wert. Er erzählt mir gerne, was für ein mieser Journalist ich bin. Du weißt doch, wie er ist. Wenigstens ist Jimmy noch da, der sich den ganzen Dreck mit anhören muss.«
    Er seufzte schwer, fasste sich wieder und lächelte mir kurz zu.
    »Er sucht einfach nur immer wieder nach Gelegenheiten, das Selbstbewusstsein von dir und deinem Bruder zu untergraben«, sagte ich. »Er ist neidisch, weil er seine Karriere in den Sand gesetzt hat, so wie sein ganzes Leben. Wenn er dann seine Söhne sieht, muss er zwangsläufig ständig ein schlechtes Gewissen haben. Du bist ein fantastischer Journalist!«
    Joe rieb sich den Arm und räusperte sich.
    »Egal«, sagte er, schaute wieder hoch, sodass sich unsere Blicke trafen. »Wie geht’s dir? Was macht das Café? Wie lief der Supper Club? Hast du gewonnen? Der erste Artikel müsste heute in der Zeitung erschienen sein, aber ich habe noch keinen Blick daraufgeworfen.«
    Joe gab sich locker, und so hatte ich das Gefühl, es ihm gleichtun zu müssen. Er wollte kein längeres Gespräch über seinen Vater führen – das wollte er nie. Sein Dad war wie ein Damoklesschwert für ihn gewesen, das ständig über ihm schwebte und Unheil anrichten konnte. So war es nun einmal. Als ich eine wegwerfende Handbewegung machte, fiel mir Joes offene Brieftasche auf, die auf dem Küchentisch lag. Innen steckte ein Schnappschuss von uns beiden, der an einem Weihnachten in einem Fotoautomaten an der London Bridge aufgenommen worden war, als wir beide schon ziemlich betrunken waren. Wir trugen Stirnbänder mit Geweihen und küssten uns. Ich sehnte mich nach dieser Zeit zurück, als ich für dieses Foto sorglos auf Joes Knie gesessen und meinen Arm um seinen Hals gelegt hatte.
    »Oh, ich weiß noch nicht, wer gewonnen hat, und es ist mir auch egal«, erwiderte ich. »Ich wünschte, ich hätte nie daran teilgenommen. Es ist … hm … hm … hm …«
    Ich konnte nicht die richtigen Worte finden. Joe sah mich fragend an und wandte sich dem Toaster zu, aus dem eine hauchdünne verkohlte Scheibe Toast heraussprang. Er nahm sie und ließ sie sofort auf das Brotschneidebrett fallen.
    »Mist!«, fluchte er, streckte den verbrannten Finger in die Luft und lächelte mich an.
    »Ich mache mich nicht besonders gut an der kulinarischen Front ohne dich«, erklärte er. »Um ehrlich zu sein, mein Speiseplan, der aus Plätzchen von Wagon Wheels und Sandwichs von Prêt à Manger besteht, ist ganz schön langweilig.«
    »Aha, Prêt-à-Manger-Sandwichs«, sagte ich und deutete ein Lächeln an. »Warum gehst du nicht zu Gregg’s?«
    »Den gibt’s in der Nähe der Arbeit. Da hole ich mir zum Frühstück ein Croissant und zum Mittagessen ein Sandwich«, antwortete er. »Dann noch mal ein Sandwich zum Abendessen. Die müssen mich für unglaublich einfallslos halten, aber ich habe zurzeit einfach keine Lust, mir übers Essen irgendwelche Gedanken zu machen.«
    Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Küchentheke, der Stapel Zeitungen hinter ihm, ein Arm vor der Brust, im anderen ein Kaffeebecher. Aus dem Roberts-Radio, das ich ihm einmal geschenkt hatte, lachte eine Frau heiser, und er ging hinüber, um es leiser zu stellen. Er schaute mich erwartungsvoll an.
    »Nun«, meinte er und spannte den Kiefer an, als würde er sich auf einen Schlag gefasst machen, »über was willst du mit mir reden?«
    Ich kramte in meiner Tasche herum, dabei fielen Lippenstift und Haustürschlüssel auf den Boden. Er hob sie auf und gab sie mir zurück. Ich steckte sie wieder in die Tasche, zog dann die Zeitung heraus und schlug sie auf der Seite mit dem Artikel über den Saturday Supper Club auf. Ich schluckte. Durch die Küchentür drang Lärm. Joes Dad schlug gegen

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