Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
Wohnzimmer. Ich sah hinüber zu dem Foto von mir und Joe, das neben verschiedenen Postkarten, Take-away-Speisekarten und einer Stromrechnung, die ich noch bezahlen musste, an der Pinnwand hing. Ich hätte schwören können, Joe winkte mir zu. Weißt du noch, wer ich bin?
»Oh Gott, oh Gott«, stöhnte ich, nahm ein Stück Bitterschokolade aus der Silberfolie und schob es mir in den Mund. »Was für ein Albtraum!«
Neben Ethan, meinem Ex, Dominique, der Journalistin, und Paul, dem Fotografen, waren noch Maggie und Andrew, die beiden anderen Kandidaten, gekommen. Maggie, eine kleine, sehr, sehr hübsche Frau mit vielen Rundungen, lockigem braunem Haar, das sich kringelnd auf ihre Schultern ergoss, als wären es Luftschlangen, war, so nahm ich an, Ende zwanzig. Sie hatte wissende, mit Kajal umrandete Augen, hohe Wangenknochen und kirschrote Lippen. Sie trug ein Haarband, das mit einer Pfauenfeder verziert war, eine goldene Brosche mit der Aufschrift Dolly , die aussah wie ein Sheriffabzeichen, wahnsinnig hohe High Heels, einen paillettenbesetzten Bleistiftrock und eine hauchdünne schwarze Bluse mit einer Riesenschleife am Kragen.
Obwohl ich mein neues Kleid angezogen hatte, kam ich mir im Vergleich zu ihr wie eine graue Maus vor. Abgesehen davon war mir mein leuchtendes Haar peinlich. Maggie war eines jener Mädels, die selbst in einem Kartoffelsack noch gut aussahen. Ganz im Gegensatz zu mir. Auch wenn sie klein war, hatte sie eine Stimme, die einen ganzen Saal einnehmen konnte, und ich hörte sie, wie sie lebhaft von einem Abend aus ihrer Teenagerzeit sprach, als sie in einem chinesischen Restaurant essen war.
»Ich dachte, die Fingerschale wäre eine Suppenschüssel!«, rief sie fröhlich, und Ethan lachte genüsslich.
Der vierte in unserer Runde war Andrew, der so zwischen Mitte bis Ende dreißig Jahre alt war. Er hatte blondes, nach hinten gekämmtes, welliges Haar, das wirkte, als hätte er kurz zuvor noch auf dem Oberdeck eines Schiffes gestanden, hellblaue Augen, die interessiert meine Wohnung in Augenschein nahmen. Er trug einen lässig-eleganten hellen Leinenanzug und hielt eine Flasche in den Händen – seiner Fahne nach zu urteilen, hatte er auch eine intus –, und auf seinem Gesicht lag ein ernster, verträumter Ausdruck.
»Champagner«, war das Erste, das er sagte, als er mir die beiden Flaschen überreichte. »Und nicht irgendein x-beliebiger. Das ist ein Bourgeois-Diaz von einem kleinen Weingut, das jede Flasche per Hand abfüllt. Ich trinke am liebsten jeden Tag ein Glas davon. Ist mein Lieblingsgetränk. Ich brauche jeden Tag ein Glas davon. Oder eine Flasche, wenn möglich, was erstaunlicherweise sehr häufig der Fall ist.«
Ich holte tief Luft, machte den Salat an, öffnete die Küchentür und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Ethan mit unergründlichem Gesichtsausdruck ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto von mir musterte, das Joe am Strand von Norfolk aufgenommen hatte. Darauf sitze ich in einem getupften Badeanzug auf einem Felsen, in jeder Hand einen Seestern. Am liebsten hätte ich es ihm weggerissen und hinter dem Sofa versteckt. Obwohl er mich schon unzählige Male nackt gesehen hatte, dachte ich plötzlich, ein Bild von mir im Badeanzug wäre zu intim.
Ich räusperte mich laut, um auf mich aufmerksam zu machen. Unsere Blicke trafen sich, und ein leises, wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. Ich wusste so viel von ihm – den Namen seines Lieblingsbuchs, die Schulfotos im Wohnzimmer seiner Mutter, die Nacht, in der er so betrunken war, dass er im Schlaf in einen Koffer gepinkelt hatte, seine Fledermausphobie.
»Nun!«, rief ich und riss meinen Blick von ihm los. »Was wollen wir jetzt machen?«
»Uns ausziehen«, erwiderte Andrew, bevor er seinen Kopf nach hinten warf und sein Glas leerte. »Ist eine Bullenhitze heute Abend.«
»Andrew!«, gackerte Maggie. »Wie ich sehe, bekommen wir mit dir heute Abend noch richtig viel Spaß!«
Andrew lächelte reuevoll, und eine leichte Röte zog an seinem Hals hoch. »Na gut, wenn das keiner will«, meinte er, »könnten wir doch mit dem Essen anfangen? Ich habe einen Riesenhunger, und irgendwas riecht hier richtig lecker.«
»Verrate uns doch, was es gibt!«, warf Dominique ein. »Den weiteren Abend kannst du dann so gestalten, wie du möchtest, während Paul Bilder macht. Er muss das Essen fotografieren. Deshalb bleiben wir auch noch hier, aber nicht mehr allzu lange. Morgen rufe ich euch dann an, damit ihr mir von Eves Dinnerparty
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