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Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Titel: Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Bratley
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verlorenen Seelen sah, spürte ich eine innere Zerrissenheit. Sollte ich zu ihm gehen und ihm meine Hilfe anbieten? Ich griff in meine Tasche und fand eine 1-Pfund-Münze, die ich neben ihn hinlegte. Sie war im Grunde genommen nichts. Was hätte Joe getan? Ihm einen Kaffee gekauft. Mit ihm gesprochen. Ihm seine eigenen Socken gegeben. Ihm geraten, zum Arzt zu gehen. Joes Gesichtsausdruck kam mir wieder in den Sinn, als ich zu ihm gesagt hatte, ich würde ihn nicht heiraten. Ich schluckte. Ich wusste nicht mehr, was ich tat. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich alles zerstört hatte – wegen Ethan.
    »Hallo, mein Schatz«, meldete sich mein Vater am Telefon. »Wie geht es dir?«
    Schlagartig besserte sich meine Stimmung, als ich die sanfte, fröhlich klingende Stimme meines Vaters hörte. Ich legte die Hand über mein anderes Ohr, um Tschaikowsky auszublenden und ihn besser hören zu können.
    »Können wir uns sehen?«, fragte ich ihn mit dünner Stimme. »Jetzt gleich? Ich bin in Brixton, ich kann die U-Bahn nehmen.«
    »Natürlich«, erwiderte er. »Warte eine Sekunde, ja?«
    Es war einen Moment lang still, und der Ton am anderen Ende klang gedämpft, als ob er die Hand über die Sprechmuschel seines Telefons gelegt hätte. Mir kam es vor, als ob ich die Stimme einer Frau im Hintergrund hörte.
    »Ist das Daisy?«, fragte ich, als er wieder am Telefon war. »Kann ich mit ihr sprechen? Ist sie immer noch böse auf mich?«
    »Nein«, sagte er. »Das ist nicht Daisy. Nur eine Nachbarin, die vorbeigeschaut hat. Habt ihr euch verkracht? Was ist passiert?«
    »Ach, nichts«, erklärte ich. »Sie hat einen Wutanfall bekommen, weil ich Ethan wiedergesehen habe. Sie findet, ich sollte das sein lassen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Dad. »Eve, mach dir nicht die Mühe mit der U-Bahn. Nimm einen Bus zu Gastro! Wir treffen uns dort in zwanzig Minuten.«
    »Hab ich da gerade einen Korken gehört?«, sagte ich. »Halte ich dich von irgendwas ab? Ich dachte, du hättest Zeit, aber …«
    »Natürlich hab ich Zeit«, entgegnete er fast böse. »Wenn du zuerst da bist, bestell für mich ein Beefsteak Tatar und eine Flasche Rotwein! Setz dich nicht in die Nähe der Toiletten! Ich hasse diese Restaurantplätze. Ein Tisch dort ist so überflüssig wie ein Kropf.«
    »Bonjour, Mademoiselle«, begrüßte mich ein Kellner und verbeugte sich leicht, während ich durch die knarrenden Türen von Gastro schritt, einem kleinen, authentischen französischen Restaurant in Clapham Common, das zudem eins meiner Lieblingslokale in London war, wo man gut essen – und trinken – konnte. Der Geruch klassischer französischer Küche drang in meine Nase. Ich atmete tief ein, lächelte und grüßte den Kellner.
    Das Lokal war bereits zum Platzen voll. Der einzige freie Tisch war ein klappriges Exemplar aus Holz am Fenster, von dem aus man das Picture-House-Kino sehen konnte und an dem ich normalerweise stundenlang glücklich und zufrieden saß und so tat, als wäre ich Pariserin, während ich Würfelzucker in starke schwarze Kaffees gab und meinen Blick sowohl über die französischen Werbeplakate an den Wänden als auch über die feurigen französischen Kellner gleiten ließ, die sich anmutig zwischen den Tischen bewegten.
    Ich setzte mich hin, zog meine feuchte Strickjacke aus, hängte sie über die Rückenlehne des Stuhls, faltete die Hände und presste, in Gedanken versunken, meine Lippen dagegen. Ein paar Augenblicke später sah ich einen Mann am Fenster vorbeihuschen und durch die Tür treten. Ich erkannte ihn eine Sekunde lang nicht wegen seiner Glatze.
    »Hallo, mein Kind«, begrüßte mich Dad, küsste mich auf den Kopf und klappte seinen Schirm zusammen. »Hast du schon bestellt? Ich verhungere.«
    »Noch nicht«, erwiderte ich mit erstickter Stimme und zog einen Stuhl für ihn hervor. Ich spürte seinen Blick auf mir. Er legte eine Hand auf meine Schulter. »Ich habe dich kaum wiedererkannt.«
    »Eve, mein Schatz«, sagte er. »Was ist los?«
    Ich schüttelte den Kopf und öffnete den Mund, um zu sprechen, doch es kam kein Ton über meine Lippen. Als ich sah, wie mein Vater mich mit seinen dunkelblauen, besorgten Augen ansah und freundlich anlächelte, kam ich mir vor wie ein Kind, und ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten und meine Wangen zu glühen begannen. Ich schluckte und griff nach der Karte, um mir Luft zuzufächeln. Dad legte seine große, warme Hand auf meine und seufzte. Er winkte den Kellner herbei, einen

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