Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
Andrews Wohnung ging, hatte ich das Gefühl, meine Füße würden einen altbekannten Pfad beschreiten. Es kam mir wie ein Déjà-vu vor, obwohl ich noch nie zuvor in dieser Straße gewesen war. Ich vermutete, es hatte wohl eher etwas mit dem Wiedersehen mit Ethan zu tun. Schon bei dem Gedanken wurde mir flau im Magen, und das Herz schlug mir bis zum Hals. Aber waren das nicht die Gefühle, die ich schon immer gehabt hatte, wenn es um ihn ging? Um welchen Preis auch immer – das Einzige, was zählte, war Ethan.
Eine innere Stimme sagte mir, ich wäre erbärmlich, doch ich wollte sie nicht hören. Wenn es um Ethan ging, hatte ich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, und danach war ich süchtig gewesen. Ich hatte dieses Gefühl gemocht. Im Leben war so vieles vorhersehbar, selbst Beziehungen. Ein Teil von mir wollte diese Spannung wieder zurückerlangen. Zumindest wollte ich mir anhören, was Ethan mir zu sagen hatte, um herauszufinden, ob ich wieder die Person von damals sein könnte: so verliebt, dass mir fast alles andere völlig egal gewesen war. Ich bemerkte, wie ich auf den Bürgersteig starrte und versuchte, auf keine Spalte zu treten, ein Aberglaube aus der Kindheit, um Unglück zu vermeiden.
Dann suchte ich die richtige Hausnummer. Viktorianische Stadthäuser sind riesige, geräumige Gebäude, zumeist gewaltige Anwesen mit einem einzigen Haus darauf, das nicht in fünfundfünfzig Wohnungen aufgeteilt ist wie die großen Häuser bei mir in der Nähe. Ich schaute zu dem Feinkostladen, in dessen Fenster gepökelte Schinken hingen, wahrscheinlich die Holland-Park-Ausgabe des Tante-Emma-Ladens. Als mir durch den Sinn ging, dass manche Immobilien hier für mehr als zehn Millionen Pfund verkauft worden waren, runzelte ich die Stirn. Wer, bitte, besaß eigentlich so viel Geld? Außerdem, dachte ich verärgert, während ich durch die Fenster schaute, die so riesig waren wie Filmsets in Hollywood, wer braucht schon so viele Sachen? Der schnöde Mammon.
Die Vorstellung, dass das Geld so viel im Leben diktierte, war mir zuwider. Wenn ich nur 15000 Pfund hätte, müsste ich mir keine Gedanken mehr um das Café machen und könnte es so einrichten, dass es genau so aussehen würde, wie ich es haben wollte. Ein solcher Betrag war für die Bewohner hier nur ein Klacks, aber woher sollte ich dieses Geld nur nehmen? Ich dachte an Joes Scheck und das von ihm gemalte, eingerissene und verdreckte Bild. Mich überkam ein schlechtes Gewissen, doch dann hörte ich Schritte hinter mir und wurde von meinen Gedanken abgelenkt. Ich drehte mich um und …
»Na, du Zebra auf zwei Beinen«, begrüßte mich Ethan und verlangsamte dabei sein Tempo. Er legte kurz eine Hand auf meine Schulter, während ein amüsierter Ausdruck seine Lippen umspielte. »Bist wohl auf einer Mission. Mein lieber Mann, du siehst ganz schön wild aus.«
Er machte eine Bewegung auf mich zu, als ob er mich auf die Wange küssen wollte, besann sich dann aber eines Besseren und hielt inne. Er schaute mich anerkennend von oben bis unten an.
»Beißt du?«, fragte er mit einem gequälten Lächeln.
»Manchmal«, erwiderte ich, und mein ganzer Körper zitterte. Ethan lachte. Meine Gedanken rasten. Oh Gott. Wir flirteten gerade. Ich musste mir den Grund für all den Wahnsinn hier wieder in Erinnerung rufen: Erstens wollte ich herausfinden, warum er mich verlassen hatte, und zweitens feststellen, ob dieses Ding , von dem ich dachte, es wäre immer noch da – dieses unantastbare, übergeordnete, nur einmal im Leben vorkommende Ding , das mich davon abgehalten hatte, mich endgültig zu Joe zu bekennen –, wirklich existierte oder ob ich es mir nur einbildete. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm loseisen, seinem frisch gewaschenen schwarzen Haar, in dem sich der Wind verfing, den vom Laufen leicht geröteten Wangen, dem dunkelblauen Hemd, das über einer dunkelbraunen Hose hing, und den daruntersteckenden kamelfarbenen Halbschuhen. Er trug eine Flasche Rotwein unter dem Arm, als wäre sie eine Zeitung, und schob die Hände in die Hosentaschen.
»Ich habe dich vermisst«, erklärte er, »seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
»War ja nur eine Woche«, erwiderte ich und wurde rot. »Nichts im Vergleich zu drei Jahren.«
»Nein«, pflichtete er mir plötzlich niedergeschlagen bei. »Da hast du wohl recht. Aber Eve, dich wiederzusehen ist so unglaublich. Ich dachte schon, du würdest heute Abend vielleicht nicht kommen, nach dem, was du über Joe gesagt hast
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