Ein Mistkerl zum Verlieben
ihr hinübergehen. Er konnte sie fragen, ob sie ihm Kopien der medizinischen Gutachten des Kagan-Falls besorgen konnte, damit er sie am Wochenende durcharbeiten konnte. Andererseits war es zwei Uhr nachts und selbst ein Blinder würde bemerken, dass es nichts als ein plumper Anmachversuch sein würde, wenn er jetzt noch nach den Gutachten fragte. Er ließ die Hand vom Terrassentürgriff sinken und nahm stattdessen eine Dusche.
Vicky schloss die Tür ihrer Terrasse und schüttelte den Kopf. Sie musste eindeutig zuviel Rotwein und Corona erwischt haben. Der Moment vorhin, als Mark ihr so nah gegenüberstand….nein, das war in jedem Fall die Schuld des Alkohols. Obwohl, er war doch ein sehr reizvoller Typ. Gutaussehend, gebildet, witzig und charmant. Sie fand es ein kleines bisschen Schade, dass er noch nicht einmal einen Versuch unternommen hatte, mit ihr in ihr Appartement zu kommen oder sie in seines einzuladen. Der Vorwand, sie könne sich das Nachbarappartement doch einmal ansehen und ihm ihre Meinung über den Einrichtungsstil sagen, den er ganz ohne weibliche Hilfe gefunden hatte, wäre die perfekte Einladung gewesen. Sie ging hinüber in die Küche, stellte die beiden Weingläser in den Geschirrspüler und die leere Flasche in die Kiste unter der Spüle, in der sie alle leeren Glasflaschen lagerte, bis sie ihre Haushälterin entsorgte. Sie nahm ein frisches Glas aus dem Küchenschrank, ließ klares Wasser hineinlaufen und trank einen tiefen Schluck. Das kühle Nass lief ihre Kehle hinunter und sie wurde wieder etwas realistischer. Sie stellte das Glas neben der Spüle ab, füllte den Wassernapf ihrer Katzen ebenfalls mit frischem Wasser und ging dann hinüber zu ihrem Laptop, der immer noch aufgeklappt auf ihrem Schreibtisch stand.
Sie war gerade dabei, den Herunterfahren-Knopf zu drücken, als eine Skype-Nachricht von Kelly herein flog.
Kelly: Hy. Ich hab von deiner Begleitung bei der Geschäftsreise nach L.A. gehört.
Vicky: Wer hat davon nicht gehört?
Kelly: Denkst du, du schaffst es ohne Valium?
Vicky: Soll ich dir mal was sagen? Wir haben gerade die letzten vier Stunden gemeinsam auf der Terrasse gesessen und Pizza gegessen!
Kelly: Wer ist wir?
Vicky: Dr. Turner und ich
Kelly: Klar. Verarsch jemand anderen
Vicky: Mein voller Ernst
Kelly: Niemals – du hast heute Mittag gesagt, dass du kotzen könntest, wenn du ihn siehst
Vicky: er scheint ein ganz netter Kerl zu sein
Kelly: Ich glaub das immer noch nicht
Vicky: Soll ich dir einen Rest Pizza schicken, damit du seine DNA analysieren kannst ?
Kelly: Läuft was zwischen euch? Ist er bei dir?
Vicky: Nein, es läuft nichts. Wir haben bloß Pizza gegessen.
Kelly: Klar läuft was. Gibs zu!
Vicky: Kelly, ich bin weder Anfang zwanzig noch Laufstegmodel. Typen wie der stehen nicht auf normale Mädels wie uns.
Kelly: N imm mir ruhig die letzte Hoffnung meines Lebens
Vicky: Wir leben in einer schlechten Welt – und du bist ohnehin verheiratet !
Kelly: Kannst du laut sagen
Vicky: Also, ich werde mich dann aufs Ohr hauen
Kelly: klar, würd ich auch, wenn ich solche Gesellschaft hätte!
Vicky: :-/ du bist unverbesserlich
Kelly: alles klar – gute Nacht
Vicky: Nacht
10
„ Ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Ich habe ihn das ganze Wochenende über nicht gesehen und als ich heute Morgen zum Flughafen gefahren bin, war er auch nicht da, obwohl ihr ja die Limousine für uns beide geschickt habt!“
Vicky stand in der Abflughalle, schob ihren kleinen Handgepäckstrolley hinter sich her und marschierte auf und ab. Dr. Turner war am Morgen nicht zu Hause gewesen, als die Limousine, die ihn und Vicky abholte und zum Flughafen bringen sollte, gekommen war. Seit dem Pizzaabend vom Freitag hatte Vicky ihn weder gesehen noch gehört, was sie anfangs noch schade gefunden hatte. Sie hatte sich eingebildet, etwas zwischen ihnen beiden zu spüren. Offenbar hatte sie sich aber getäuscht, immerhin konnte Mark scheinbar gar nicht schnell genug von ihr wegkommen. Sie war gerade in Sachen Liebe schon immer jemand gewesen, der Dinge oft missinterpretierte sodass sie mit der Zeit dazu übergegangen war, erst gar nicht zu versuchen, Liebesangelegenheiten irgendwie zu interpretieren.
„Nein, seine Handynummer hab ich gar nicht – und warum sollte er bei mir rangehen, wenn er's bei euch nicht tut“, sagte sie, als Sally, die Sekretärin von Dr. Stevens vorschlug, sie sollte ihn doch mal anrufen.
Wieder lief sie einige
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