Ein Mistkerl zum Verlieben
Überall auf dem Schreibtisch und teilweise auch auf dem Boden lagen zusammengeknüllte Taschentücher.
Er steckte sein Handy ein und ging auf die Gestalt am Schreibtisch zu.
„ Vicky“, fragte er.
„ Was?“ eine verschnupfte, belegte Stimme antwortete ihm. Sie drehte sich zu ihm um und Mark blickte in ein müdes Gesicht mit zugeschwollenen, kleinen Augen, bleichem Teint und einer roten Nase.
„ Oh Gott, was ist denn mit dir geschehen? Du siehst ja schrecklich aus!“
„ Vielen Dank, du weißt wirklich, was eine Frau hören will“, antwortete Vicky und versuchte zu lächeln, was in einem kläglichen Hustenanfall endete. Sie hatte genau gehört, dass er vorhin telefoniert und schon wieder ein Date vereinbart hatte und war ein klein wenig enttäuscht. Als sie am Nachmittag mit Gloria telefoniert hatte, hatte sie doch tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, dass aus ihr und Mark mehr werden könnte, auch wenn sie es sich selbst unter keinen Umständen eingestehen wollte.
„ Sollen wir einen Arzt rufen“, fragte Mark. Er lehnte sich an den Schreibtisch und blickte auf Vicky hinab.
„ Ich dachte, du bist Arzt“, antwortete sie.
„ Ich bin Chirurg. Ich könnte dir höchstens deine kleine Nase operieren“, lächelte er und stupste mit seinem rechten Zeigefinger ihre Nase an.
„ Nein, wir brauchen keinen Arzt“, sagte Vicky und schniefte. „Ist bloß eine kleine Erkältung. In ein paar Tagen bin ich wieder am Damm!“
„ Bist du sicher?“
„ Ja klar – ich bin ja nicht das erst mal erkältet!“
„ Weißt du, ich habe nämlich vor, die nächsten paar Tage…naja…ich werde nicht hier sein, weil…“
„ Schon gut, Mark. Ich brauche keinen Babysitter, ich bin schon dreiunddreißig!“
Sie lächelte ihn an und es war schwierig für sie, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. „Ich arbeite diese Aussage einer der damaligen OP-Schwestern noch durch, dröhne mich dann mit Aspirin zu und werde ins Bett gehen!“
„Okay.“
Mark blieb einen Moment lang sitzen und blickte Vicky an.
„Noch was“, fragte sie.
„ Nein, nein gar nichts. Aber…du nimmst doch zumindest das Schlafzimmer, während ich nicht da bin, oder?“
„ Worauf du Gift nehmen kannst!“
Etwa eine halbe Stunde später war Mark gegangen. Er hatte Vicky gefragt, ob sie den Porsche brauchte, sie hatte allerdings verneint, da sie ohnehin nicht vor hatte, ihre Erkältung unter die Leute zu tragen und am Ende der Straße eine Haltestelle für den Bus und gleich daneben ein kleiner Seven-Eleven-Markt waren. Bevor er gegangen war, hatte er gefragt, ob er ihr irgendetwas besorgen sollte, doch auch dieses Angebot hatte sie abgelehnt. Sie hatte alles da, was sie brauchte. Eine Großpackung Aspirin, eine Packung Paracetamol, Kamillentee, ungefähr eine Million Taschentücher und Nasenspray. Jetzt lag sie dick in die Decke eingemummt im Schlafzimmer, neben ihr eine dampfende Tasse Tee. Sie hatte die Fernbedienungen für den Fernseher und den DVD-Player ebenso wie ihr Handy neben sich und konnte so die nächsten Tage zum gesund werden nutzen. Sie dachte an die vergangene Nacht. Die Nacht, die sie gemeinsam mit Mark verbracht hatte und die soviel in ihr verändert hatte. Am Morgen hatte sie gedacht, dass auch in Mark etwas geschehen war, doch vermutlich hatte sie sich getäuscht, immerhin war er schon wieder auf dem Weg zu einer neuen Verabredung. Er hatte sein Vorhaben, von nun an in Sachen Frauen etwas kürzer zu treten, ja schneller wieder über Bord geworfen, als sie sich hätte träumen lassen. Am Abend zuvor hatte er ihr gesagt, dass er sich – unabhängig davon, wie das Testergebnis aussehen würde – zukünftig nur mehr mit besonderen Frauen verabreden würde. Dass er sich langsam aber sicher auf die Suche nach Mrs. Turner machen würde und nicht nach ständig neuen Bettgeschichten. Vicky fühlte sich merkwürdig. Hatte sie denn tatsächlich ernsthaft angenommen, dass sie selbst für Mark jemals mehr sein konnte, als eine nette Nachbarin? Jemand, mit dem man hin und wieder essen oder ins Kino geht, ja, aber bestimmt nicht mehr. Mit diesen Gedanken in ihrem Hinterkopf sank sie langsam in einen dumpfen Dämmerschlaf.
Vicky schrak hoch. Im Fernsehen lief eine alte Folge von King of Queens. Sie war wohl eingeschlafen, aber recht spät konnte es nicht sein, denn sie erinnerte sich, dass sie den Vorspann der Serie noch mitbekommen hatte. In den vergangenen Stunden hatte sich ihr Zustand stark gebessert. Den Abend über
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