Ein Mistkerl zum Verlieben
empfand soviel für sie, wie sie vor ihm stand, doch irgendwie war in ihm ein Schalter umgekippt worden, der es ihm unmöglich machte, ihr seine Liebe zu gestehen. Er wollte vor ihr auf die Knie fallen und sie um Verzeihung bitten, wollte ihr sagen, dass er ohne sie nicht mehr leben konnte, doch irgendwie schaffte er es nicht. Er bewunderte Vicky, wie sie jetzt vor ihm stand. Es gehörte eine Menge Stärke und Charakter dazu, jemandem so gegenüber zu treten, wie sie es gerade tat. Und trotz allem schaffte er es nicht, über seinen Schatten zu springen, ihr seine Gefühle zu gestehen und sie inständig zu bitten, ihm zu verzeihen. Er schaffte es nicht, von seiner egoistischen Stufe herab zu steigen und der Mensch zu sein, der er in L.A. gewesen war. Ganz im Gegenteil, er war wieder zu genau dem Typen geworden, vor dem er in Florida geflüchtet war. Der Mistkerl, der schlecht für die Leute in seiner Umgebung war, ihnen Unglück brachte und nur an sich selbst dachte.
„ Ja, ich schlage dir eine offene Beziehung vor“, sagte er stattdessen. „Du könntest entscheiden, ob du von den anderen Frauen wissen willst oder nicht. Und allzu oft wird es auch nicht vorkommen. Vielleicht einmal im Monat, oder noch seltener. Und wer weiß, vielleicht entscheide ich mich eines Tages ja doch, komplett monogam zu leben. Es wird bestimmt wunderbar. Ich werde dich auf Händen tragen und dir die Sterne vom Himmel holen! Was denkst du?“
„ Ich denke“, begann Vicky und sprach genauso langsam wie vorhin, „dass es jetzt besser wäre, wenn du gehst!“
Mark war verwirrt. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass Vicky ihn vor die Tür setzen würde. Er hatte damit gerechnet, ihr noch eine Weile Honig ums Maul schmieren zu müssen und sie dann aber herum zu kriegen. Er hatte ja auch gar nicht vor, sie ständig zu betrügen, er wollte sich lediglich die Hintertüre offen lassen, sollte ihm das eine oder das andere Mal ein Ausrutscher passieren. Er hatte fest damit gerechnet, dass sie auf seinen Vorschlag eingehen würde – dass sie ihn wenigstens in Erwägung ziehen würde. Außerdem schmerzte es ihn, dass sie das Alles scheinbar doch relativ kalt ließ.
„Ach komm schon, Vicky. Das ist ein einmaliges Angebot. Wir haben uns in Los Angeles prima verstanden. Wir hätten eine Grundlage für eine gute Beziehung. Wir sind uns so ähnlich!“
„ Ich finde nicht, dass wir uns ähnlich sind“, antwortete sie und sah Mark aus unverwandten Augen an. „Ich würde eine Beziehung niemals als „einmaliges Angebot“ bezeichnen und schon gar nicht würde ich jemandem, den ich gern habe, so ein unverschämtes Angebot machen. Weißt du, ich würde jemanden, den ich gern habe, niemals so weh tun und mich eine Tür weiter von jemandem vögeln lassen, während der andere auf mich wartet. Und jetzt solltest du wirklich gehen!“ Sie schob Mark in Richtung Flur. Vor der Eingangstüre drehte er sich noch einmal zu ihr um.
„ Vicky, ich bitte dich“, begann er, doch sie hatte die Türe geöffnet und sah ihn fordernd an.
„ Ich wünsche dir eine gute Nacht, Mark“, sagte sie.
30
Das Telefon klingelte Vicky am nächsten Morgen aus den Träumen. Schlaftrunken angelte sie nach ihrem Handy, das sich irgendwo zwischen ihrem Kissen und der Bettkante befand. Ohne auf das Display zu sehen, nahm sie den Anruf entgegen.
„Hallo?“
Ihr Kopf fühlte sich an, als hätten Bauarbeiter ihn mit Vorschlaghämmern bearbeitet.
„Haben wir euch geweckt?“ Am anderen Ende der Leitung war Kelly. „Du klingst ja ziemlich verschlafen. War wohl eine lange Nacht, was?“ Im Hintergrund konnte man Gloria kichern hören.
„ Oh, Kelly, hy“, sagte Vicky. Ihr Schädel brummte und ihre Augen brannten. Das helle Tageslicht verursachte Kopfschmerzen und in ihrem Ohr war ein Summen. Langsam tauchten die Geschehnisse des vergangenen Abends vor ihr auf. Das rote Kleid lag zerknüllt vor ihrem Bett und wirkte wie ein Relikt aus einer Zeit, die niemals existiert zu haben schien.
„ Gloria und ich sind gerade am Brunchen im Eastside-Cafe und dachten, wir fragen, wies euch so geht?“ Kelly kicherte wieder. Im Hintergrund konnte man Geschirr klimpern hören.
Vicky antwortete nicht. Der Kloß, von dem sie gedacht hatte, er wäre über Nacht verschwunden, war in voller Pracht wieder zurückgekommen. Sie spürte, wie sich Tränen langsam in ihren Augen sammelten und brachte keinen Ton hervor.
„Vicky, ist alles in Ordnung mit dir?“ Jetzt wirkte Kelly
Weitere Kostenlose Bücher