Ein Mörder kehrt heim
Mai 2012. Es sind insgesamt vierundzwanzig Briefe an die lieben Enkel. Es gibt keine Antworten.«
»Was bedeutet, dass es Anweisungen von Fendt sind«, sagte Matti.
»Vermutlich«, antwortete Dornröschen.
»Ãberhaupt nicht vermutlich«, brummte Twiggy mit vollem Mund. »Selbst wenn es Anweisungen wären, erwartet man doch Antworten. So etwas wie âºAuftrag erhaltenâ¹ oder âºZu Befehlâ¹.«
»Was heiÃt das?«, fragte Matti.
»Das heiÃt, dass die Befehlsempfänger auf einem anderen Kanal geantwortet haben. Sofern es Befehlsempfänger waren. Vielleicht hat Fendt an eine höhere Instanz berichtet?«
»Toll. Ein prima Gefühl, wenn alle Gewissheit schwindet.«
»Vielleicht hilft das Datum?«, fragte Matti.
»16. Mai 2012. Was soll das sein?« Dornröschen klopfte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte.
»Jetzt strengt euch mal ein bisschen an«, nörgelte Twiggy. »Es hat immer einen Grund, wenn eine Sache anfängt.«
»Was für eine Sache?«, fragte Matti. »Das ist doch die Frage.«
»Also, es hängt mit Georg Westreich zusammen. Und mit Anja«, sagte Dornröschen nachdenklich. »Wir wissen, dass Fendt und Zitkowski Georg kannten. Sogar gut. Georg wurde ermordet. Anja ist verschwunden. Fendt und Zitkowski geben die Obergeheimniskrämer. Ich unterstelle, sie haben was mit Georgs Tod zu tun. Sonst erkenne ich in der Verwicklung keinen Sinn. Aber haben die Georg umgebracht? Wegen einer Leiche im Keller? Weil Georg auspacken wollte?«
»Offenkundig hat Georg sich keinen Anwalt genommen«, sagte Twiggy.
»Er hätte sich an den flinken Rudi gewandt. Das ist der beste Rechtsverdreher von allen«, sagte Matti.
»Spricht gegens Auspacken«, sagte Dornröschen.
»Es sei denn, Fendt und Genossen haben es befürchtet und sich gesagt: Sicher ist sicher. Ein Toter kann nichts verraten.«
Schweigen.
»Wir drehen uns im Kreis«, sagte Dornröschen.
»Das ist derzeit unsere Lieblingsbeschäftigung«, knurrte Twiggy.
»Lasst uns die Mails durchgehen«, befahl Dornröschen. »Matti, lies vor.«
Lieber Ernst,
wir haben uns viel zu lang nicht mehr gesehen. Ich freue mich schon, wenn wir wieder zusammen Eis essen gehen.
Bis bald,
dein Opi
»Eleganter Briefstil«, sagte Dornröschen.
Lieber Ernst,
das war doch nett. Wir sollten uns bald wieder treffen. Dann bereden wir auch, was ich dir zum Geburtstag schenken kann. Aber verrate Mutti nicht, dass wir was aushecken. Das soll unser Geheimnis bleiben. Ja?
Dein Opi
»Das ist doch einfach. Wenn man mal unterstellt, dass es sich um Verabredungen und sonstige Botschaften handelt, könnte dieser Enkel Georg sein«, sagte Twiggy.
Matti blätterte und schüttelte den Kopf. »Die letzte Mail stammt von vor einer Woche. Da war Georg schon tot.«
»Und wenn Fendt das nicht gewusst hat?«, fragte Twiggy.
»Ach, du lieber Himmel«, sagte Dornröschen.
Wieder Schweigen.
Lieber Ernst,
wir müssen uns ein bisschen mehr anstrengen, damit unser Geburtstagsgeheimnis nicht herauskommt. Ein Geheimnis macht Leute neugierig. Sie dürfen also nicht einmal wissen, dass es eines gibt. Wenn wir nicht aufpassen, gibt es keine Geburtstagsüberraschung.
Also für Mutti, die auf keinen Fall wissen darf, was wir verabredet haben: pssst!. Also: pssst!
Dein Opi
»Es geht immer um diese Geburtstagsüberraschung. Mutti sollâs nicht mitkriegen. Geburtstagsüberraschung steht für eine Aktion.« Matti knabberte am Fingernagel.
»Und Mutti steht für alle anderen. Niemand soll es mitkriegen.« Dornröschen nahm die Mail, las noch einmal und nickte.
» Eis essen gehen heiÃt sich treffen«, sagte Twiggy. »Sonst hat das keinen Sinn.«
»Die Frage ist nur, was diese Geburtstagsüberraschung ist«, sagte Dornröschen. »Und wer ist Ernst?«
»Warum hat Ernst nie geantwortet?«, fragte Twiggy.
»Lass uns weiterlesen«, erklärte Dornröschen.
Auch in den anderen Mails an Ernst ging es um die Geburtstagsüberraschung. Aber es fehlten auch darin Angaben: keine Uhrzeiten, keine Orte, keine Aussagen darüber, um was es ging. Nun waren die Mails an Walter dran.
Lieber Walter,
ich soll dich sehr von Ernst grüÃen. Das Eisessen war schön. Wir haben ein schönes Geschenk gefunden für den Geburtstag. Alles klappt, wie wir es uns
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