Ein Mörder unter uns

»Nur wegen dieser verrückten jahrelangen Feindschaft mit Charlie
Hutchins. Er ist an einem Punkt angelangt, wo er bei einem nicht zustandegekommenen Telefongespräch, bei dem die zehn Cent
nicht wieder herausfallen, sich einbildet, Hutchins habe gewußt, daß er
telefonieren wolle und stecke dahinter. Als ich noch mit Irv verheiratet war, konnte ich über die verrückten Streiche, die sie einander zu
spielen pflegten, lachen — und manchmal hat er mitgelacht. Aber er ist
verändert — ungeheuer verändert seit damals. Manchmal frage ich mich, ob er
überhaupt derselbe Mann ist, den ich damals geheiratet habe .«
    »Trotzdem, ich glaube, es war
ein Glück für Sie, daß er da war, als sich diese Dinge ereigneten, so daß er
Sie beschützen konnte, Miss Duane«, sagte ich lässig. »Wie kam es, daß er sich
hier in dieser kleinen Stadt aufhielt, als Sie Maxine Barrs Rolle übernahmen ?«
    »Er war gar nicht hier«, sagte
sie dumpf. »Jemand rief ihn gleich an, nachdem dieses Auto versucht hatte, mich
niederzufahren; und er traf gleich am nächsten Morgen im Hotel ein. Seit der Scheidung
liegt er mir in den Ohren, ich solle ihn wieder heiraten; und vielleicht tue
ich das auch, wenn alles vorüber ist. Ich weiß nicht recht — er ist so
verändert! Er erschreckt mich jetzt, wenn er wütend auf mich wird. Früher habe
ich darüber gelacht. Heute würde ich das nicht mehr wagen, weil ich Angst habe,
das könnte leicht dazu führen, daß er...« Sie verstummte.
    »Ich kann Ihre Gefühle
begreifen, Miss Duane«, sagte ich leise. »Es kann nicht sehr erfreulich für Sie
sein, unter demselben Dach mit Hoyt und seiner Geliebten
zu wohnen—«
    »Geliebten?« Sie sah mich
verdutzt an. »Oh, Sie meinen Sonia ?«
    »Sonia Scott«, stimmte ich zu.
»Okay, in Nerz, Diamanten und allem übrigen.«
    »Sonia ist nur seine
Sekretärin«, sagte sie gelassen. »Sicher, Irving staffiert sie gern mit dem
Nerz und den Diamanten aus, aber das ist alles Fassade. Er schätzt es, wenn die
Leute sie für seine Geliebte halten, es schmeichelt seinem Ego. Aber ich bin
die einzige Frau in seinem Leben .« In ihrer Stimme lag
ein Unterton unerschütterlicher Überzeugung. »Seit der Scheidung hat er keine
andere Frau angerührt; und solange ich lebe, wird er das auch niemals tun .«
    Die Tür öffnete sich plötzlich,
und Kirch trat herein. »Sie haben fünf Minuten und sogar noch mehr gehabt, Holman «, sagte er kalt. »Also — raus!«
    Babs Duane hob zornig den Kopf,
und für eine Sekunde lang war in ihren Augen das alte Funkeln. »Mr. Holman wird gehen, wenn ich es sage und nicht einen
Augenblick früher !« fuhr sie ihn an. »Wie können Sie
wagen, eine private Unterhaltung auf diese Weise zu unterbrechen! Gehen Sie
hinaus, wo Sie hingehören !«
    Kirch fuhr sich ein paarmal mit
der Zunge über die Lippen und zog sich dann mit dem Ausdruck dumpfen Zorns auf
dem Gesicht langsam zurück. Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, sanken Babs’
Schultern wieder herab.
    »Da ist noch etwas«, flüsterte
sie. »Dieser Mann erschreckt mich, obwohl ich versuche, das nicht zu zeigen.
Irving will kein Wort gegen ihn oder den anderen, der vorgibt, sein Chauffeur
zu sein, hören. Eines Morgens ging Irving, während ich schlief, für zwei
Stunden weg und — dieser Mann — Kirch...«
    »Was geschah da ?«
    Ihre Finger zerrten vorn an
ihrem Morgenrock, im vergeblichen Versuch, ihn noch enger über ihre Brust zu
ziehen. »Ich dachte, ich hörte ein Geräusch im Schlafzimmer, während ich mich
duschte«, sagte sie. »Ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber, weil ich
dachte, Irving sei früher zurückgekommen als erwartet. Dann, ein paar Sekunden
später, als ich mich eben abtrocknete, blickte ich plötzlich auf — und sah Kirch
an der offenen Tür stehen und mich beobachten.
    Ich schrie ihn an und bedeckte
mich mit dem Badetuch. Er sagte nichts, grinste mich nur die ganze Zeit über
an. Dann zog er mir das Badetuch zwischen den Händen weg; und ich hatte solche
Angst, daß ich mich in den Duschraum zurückzog und die Glastür schloß. Als ich
mich wieder genügend gefaßt hatte, um sie zu öffnen und hinauszuspähen, war er
weg. Ich rannte ins Schlafzimmer und da stand er an der Schwelle. >Der Boss
ist zurück<, sagte er noch immer grinsend. >Wenn Sie ihm erzählen, was
passiert ist, wird er es Ihnen nicht glauben .< Das
Schreckliche war, ich wußte, daß es stimmte: Irving würde es nicht glauben,
weil er es nicht glauben wollte, und nur einen